Diese Rubrik werde ich in den nächsten Wochen neu gestalten. Auf der Website "nachhaltig geht" soll nicht nur in aktuellen Blogbeiträgen gezeigt werden, dass Nachhaltigkeit kein Wolkenkuckucksheim ist, sondern eine alternativlose gesellschaftliche Entwicklung, der wir uns zwar verweigern können, die aber unweigerliche Voraussetzung für ein gutes Leben für möglichst viele Menschen und der einzige Ausweg aus dem maßgeblich von unserer nicht-nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise verursachten Dilemma ist.
Inzwischen gibt es viele Menschen, Initiativen, Unternehmen usw., die sich auf den Weg gemacht haben, die Vision Nachhaltigkeit umzusetzen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und innerhalb der Grenzen, die uns die große und kleine Politik immer noch setzen. Und mit den Hürden und Begrenzungen, die immer auftauchen, wenn man etwas anders machen will als der Mainstream. Ich werde sie suchen, finden und aus meiner Sicht darstellen. Das bedeutet unweigerlich, dass ich nur eine eher kleine Auswahl finden und auch diese unvollkommen beschreiben werde. Auch die Reihenfolge, in der ich die Beispiele darstelle, folgt zwar einer sachlichen Gliederung, aber in den einzelnen Feldern keiner inneren Logik oder stellt gar eine Wertungsreihenfolge dar. Dafür bitte ich bereits vorab um Nachsicht. Kritik ist natürlich auch hier willkommen. Stellungnahmen bitte über den Kontakt-Button abgeben!
Wenn man sich auf die Suche nach Beispielen für ein ehrliches und anspruchsvolles Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen macht, dann kommt man nicht an denjenigen vorbei, die damit bereits vor langer Zeit angefangen haben, damals noch unter der Überschrift „Umweltmanagement“.
Es begann Mitte der1980er Jahre, also einige Jahre nachdem die Studie zu den „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome die Umweltproblematik ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt hatte. Mitglieder des Bundesverbands Junger Unternehmer (BJU, heute Die jungen Unternehmer) gründeten 1984 eine Ökologie-Kommission und entwickelten eine Checkliste, anhand derer Unternehmen eine erste Bestandsaufnahme der Umweltprobleme ihres Unternehmens und ihrer Bewältigungsmöglichkeiten durchführen konnten. Daraus entwickelten sich gleich zwei Verbände einschlägig interessierter Unternehmen, der Förderkreis FUTURE und der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewusstes Management BAUM. Einige Jahre später kam ein dritter Verband hinzu, der sich zunächst Unternehmensgrün nannte und inzwischen Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft heißt. Alle drei Verbände setzen sich für nachhaltige Unternehmenführung ein, bieten Hilfestellungen für ihre Mitgliedsunternehmen und vergeben Preise für ein entsprechendes Engagement. Da inzwischen auch der Deutsche Nachhaltigkeitsrat, die Bundesstiftung Umwelt und andere Organisationen Umweltpreise vergeben, ist die Liste entsprechender Preise sehr lang geworden und selbst für Experten kaum mehr überschaubar.
Zu den Pionieren im Einzelnen: Es waren vor allem unternehmerische Führungskräfte, die das Umweltthema persönlich für sich entdeckt hatten und nicht nur privat, sondern auch in Ihrem Unternehmen praktisch etwas tun wollten, um Umweltprobleme aufzuspüren und konstruktiv zu lösen, auch wenn sich ihre KundInnen oder MitarbeiterInnen gar nicht besonders dafür interessierten. Klaus Günther in der Fa. Bischoff und Klein, Georg Winter von Ernst Winter und Sohn, beide Mitgründer von FUTURE und BAUM, sind hier an erster Stelle zu nennen. Andere wie Franz Ehrnsperger (Neumarkter Lammsbräu), Michael Otto (Otto-Versand), Karl Neff (Neff GmbH), Hans-Olaf Henkel (IBM Deutschland), Hermann Fischer (AURO Pflanzenchemie) und Claus Hipp (HIPP) kommen hinzu. Sie waren die Promotoren eines entsprechenden Engagements der Unternehmen, in denen sie Verantwortung trugen, die sie zum Teil mit gegründet hatten. Schaut man heute in die Internet-Auftritte dieser Unternehmen, dann finden sich nur bei wenigen von ihnen auch weiterhin deutliche Zeichen des damaligen Engagements, vor allem bei der Neumarkter Lammsbräu, bei Hipp und bei AURO. Die anderen bestehen zum Teil nicht mehr, haben die Eigentümer gewechselt oder ihr Nachhaltigkeitsbemühen ist kaum mehr von dem anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Das liegt daran, dass die „Langläufer“ ihr Umweltengagement auch und vor allem in ihren Produkten ausdrücken und nicht nur darin, dass sie negative Umweltaspekte in den Prozessen und im Umfeld verringern bzw. vermeiden, ansonsten aber weitermachen wie gewohnt. Neumarkter Lammsbräu ist eine Öko-Brauerei, HIPP produziert Bio-Nahrungsmittel für Kinder, AURO ist ein Hersteller von Naturfarben. Nachhaltigkeit prägt also das Kerngeschäft und drückt sich damit in allen Bereichen des Unternehmens aus. Der gesamte Lebenszyklus der Produkte und Leistungen dieser Unternehmen ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Wer Kunststoffverpackungen, Werkzeuge oder Computer herstellt, dessen Kerngeschäft ist „normal“, oft wenig modifiziert und eben nicht oder nur begrenzt nachhaltig, wie engagiert auch immer die Chefs oder Manager hinter dem Nachhaltigkeitsanspruch standen.
Ein zweites kommt hinzu. In der Liste der genannten Pioniere finden sich fast nur kleinere bzw. mittlere Unternehmen. Lediglich IBM und Otto sind Großunternehmen. Weitreichendes Engagement für Nachhaltigkeit scheint also nur dann wirklich Chancen auf ernsthafte Umsetzung zu haben, wenn es in Eigentümerunternehmen von umfassend durchsetzungsmächtigen Personen gefördert und gefordert und an entsprechend engagierte Nachfolger übergeben wird. Angestelltes Führungspersonal, so engagiert es sein mag, wird zumeist nach nur wenigen Jahren abgelöst und „vererbt“ dieses Engagement eher selten. Auch auf IBM und Otto trifft dies zu, wenngleich Michael Otto Miteigentümer war.
Zu den erwähnten Pionieren gesellten sich, oft auch bereits in den 1980er Jahren, andere, vor allem Neugründungen, die sich inzwischen soweit etabliert haben, dass sie den meisten von uns bekannt sein dürften. Das sind z.B. Handelsunternehmen im Lebensmittelsektor, im Bürobedarf und im Textilsektor. Genannt seien hier stellvertretend Alnatura, Memo und Hessnatur. Diese Unternehmen haben in ihren Branchen Entwicklungen angestoßen, die inzwischen so weit verbreitet sind, dass es nicht wenige direkte Wettbewerber gibt und auch die konventionellen Konkurrenten mindestens einige Öko-Produkte im Sortiment führen.
Schließlich war und ist es die große Zahl der Öko- bzw. Bio-Bauern, die oft schon weit vor den 1980er Jahren auf den Einsatz chemischer Hilfsmittel verzichteten und Lebensmittel anbauten oder produzierten, die die Lebensgrundlagen bewahren und Mensch und Natur miteinander versöhnen. Ich nenne hier wegen der großen Zahl nicht einzelne Betriebe, sondern die Verbände, die Anregungen geben und Produktzeichen vergeben und damit den Verbraucher*Innen garantieren, dass die so ausgewiesenen Produkte nach den Öko-Kriterien der Verbände hergestellt wurden. Dies sind vor allem demeter, der bereits 1924 gegründete Verband auf Grundlage der Lehre Rudolf Steiners, sowie Bioland. Inzwischen gibt es ca. 37.000 Bio-Betriebe, die ca. 12% der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften. Nicht selten verkaufen die Öko-Bauern in Hofläden oder im Direktvertrieb ihre Produkte an Menschen in ihrer Region und tragen auch auf diesem Weg zur Nachhaltigkeit bei.
Auch wenn hier nur einige wenige erwähnt werden können, ohne die Pioniere wäre es kaum dazu gekommen, dass heute in fast jeder Branche Umwelt und Nachhaltigkeit ein großer Thema ist. Leider entsteht dabei allerdings öfter der Eindruck, dass eher Greenwashing im Spiel ist und kein ernsthaftes Bemühen um Nachhaltigkeit. Hierzu positiv abweichende aktuelle Beispiele zusammenzutragen, die noch nicht so bekannt sind wie die Pioniere, das ist meine Absicht in dieser Kolumne.
Das Prädikat „nachhaltig“ wird heute geradezu inflationär verwendet, zumeist ohne auch nur den Versuch zu machen kundzutun, was man darunter verstehen will. Damit wird es beliebig und abgedroschen. Nur allzu verständlich ist es daher, dass viele Menschen davon die Nase voll haben. Denn damit ist so gut wie nichts mehr nicht nachhaltig und trotzdem verbessert sich die Lage überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Die EU-Taxonomie erklärt z.B.Atomkraftwerke für eine nachhaltige Form der Energierzeugung. Ikea bewirbt seine fleischlosen Köttbullar als nachhaltig. Und Elektroautos sind nicht nur für die Hersteller, sondern auch für viele Nutzer nachhaltige Verkehrsmittel, gleichgültig ob als tonnenschwerer Hybrid-SUV oder als stadttauglicher Kleinwagen. Immerhin sind letztere unter bestimmten Bedingungen eine Etappe auf dem Weg zu einer möglichst wenig umweltschädlichen Mobilität.
Ich möchte diese schlechten Gewohnheiten nicht nachahmen, denn dahinter steckt oft nichts als Greenwashing, um das eigene Angebot auch in diesen Zeiten gut verkaufen zu können, und ich habe hier nichts zu verkaufen. Deshalb will ich, bevor ich mich ausgesuchten Beispielen zuwende, ein paar Worte dazu schreiben, was meine Gesichtspunkte dafür sind, bei den Beispielen von Nachhaltigkeit zu sprechen.
Diese fünf Gesichtspunkte mögen theoretisch hochtrabend klingen. Sie sind aber schon eingedampft gegenüber dem, das ich zu meiner aktiven Zeit als Prof. den Studierenden zu vermitteln versucht habe. Denn sie zu beachten ist notwendig, wenn man der beliebigen und inflationären Verwendung des Begriffs entkommen will. Wenn ich nachfolgend Beispiele auswähle und beschreibe, dienen sie mir als Auswahlkriterien und Maßstäbe zugleich. Weist mich bitte darauf hin, wenn Ihr den Eindruck habt, das träfe nicht zu!
Was sind die Felder, die umgestaltet werden müssen, wenn Nachhaltigkeit eine Chance bekommen soll? Aus meiner Sicht sind das die Lebensbereiche, die für unser Überleben ganz generell von zentraler Bedeutung sind:
Wenn wir zudem die Bereiche in Blick nehmen, auf denen unsere Lebens- und Wirtschaftsweise bereits in zum Teil erheblichem Umfang Schäden angerichtet hat und dies auch weiterhin nahezu ungebrochen tut, dann kommen weitere Handlungsfelder dazu, die der Wiederherstellung unserer gefährdeten Lebensgrundlagen dienen:
Damit sind die acht Felder genannt, auf denen ich Beispiele für gelungene oder aus meiner Sicht erfolgversprechende Aktivitäten für Nachhaltigkeit suchen und darstellen will. Weil ich jetzt erst damit anfange, kann ich noch nicht versprechen, wie schnell ich etwas Berichtenswertes finde und dann auch hier veröffentlichen kann. Dass ich schon ein paar Ideen habe, sei als kleine Neugier weckende Anmerkung aber schon einmal verraten.
Leben auf der Erde ist nur dadurch möglich, dass dem Planeten von der Sonne Energie zugeführt wird. Sie ermöglicht Photosynthese und ist damit neben Wasser zentrale Grundlage von pflanzlichem und tierischem Leben. Seit Menschen Feuer machen, nutzen sie auch dessen Energie z.B. zum Kochen oder zur Wärmegewinnung. Dabei diente zunächst vor allem Holz und damit ein nachwachsender Rohstoff als Energiequelle. Später kamen Kohle, Gas und Erdöl und schließlich Kernkraft als fossile und damit nicht-nachwachsende Energiequellen hinzu. Auch Sonne, Wasser und Wind wurden schon früh und werden erst recht zukünftig als Energiequellen genutzt. Denn vor allem wegen der begrenzten Vorräte an fossilen Energiequellen und der von Verbrennungs-Emissionen hervorgerufenen Erderwärmung muss möglichst zeitnah und weltweit eine Substitution von fossilen durch nachwachsende Energieträger stattfinden.
Die heutigen Lebens- und Wirtschaftsstrukturen sind dadurch geprägt, dass neben der stationären Nutzung auch eine mobile Nutzung und damit die Transportfähigkeit der Energieträger erforderlich sind. Während die stationäre Nutzung leitungsgebunden erfolgen kann, muss die mobile Nutzung von transportablen Energieträgern gewährleistet werden. Insbesondere dafür muss der elektrische Strom als der für die Gewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem Sonne und Wind, am besten geeignete Energieträger in wiederaufladbaren Behältnissen tarnsportfähig gemacht werden. Umgekehrt können und müssen diese aber auch stationär als Strom-Aufbewahrungsmedien für Zeiten verwendet werden, in denen Sonne und Wind nicht kontinuierlich als Energiequellen nutzbar sind (Stichwort Dunkelflaute).
Die kontinuierliche und stationär wie mobil ubiquitäreVerfügbarkeit von Energie ist damit eine zentrale Voraussetzung für das heutige Leben und Wirtschaften, wie wir es in den industriell entwickelten Ländern zu führen gewohnt sind und alsWohlstandsmerkmale auch künftig erhalten wollen. Projekte, die dazu beitragen, dass dies aus nachwachsenden Quellen erreicht und gesichert werden kann, haben damit eine zentrale Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung. Sie stehen daher am Anfang meiner Darstellung von guten Beispielen.
Wer die Energie der Sonne für die Produktion von elektrischem Strom nutzen will,tut dies am besten dort, wo die Sonne häufig und intensiv scheint, also nicht in Nordhorn, sondern z.B. Nordafrika. Experten haben ermittelt, dass eine Wüstenfläche von 250 km2 ausreichen würde, um die ganze Welt mit Solarstrom zu versoregn.
Eines der frühen Projekte für solare Energiegewinnung war und ist daher Desertec. Hier handelt es sich um eine bereits Anfang der 2000er Jahre ins Leben gerufene Initiative zur solaren Stromproduktion in den Ländern Nordafrikas zur Eigennutzung dort und zum Transport über Gleichstromleitungen in die industriellen Zentren Europas. Weil seinerzeit sowohl die solare Stromezeugung als auch der leitungsgebundene Stromtransport noch sehr teuer war, konnten die frühen Planungen nicht wirtschaftlich umgesetzt werden. Allerdings erwiesen diverse Forschungsprojekte die prinzipielle Machbarkeit der Idee, so dass ihre Verfechter langen Atem bewiesen, 2009 die Desertec Foundation gründeten und trotz diverser Rückschläge ab 2014 in Marokko und Ägypten Pilotanlagen initiierten sowie den Bau einer Stromtrasse zwischen Tunesien und Italien unterstützten, die inzwischen realisiert worden ist.
Zwar wäre für diese Art der Stromproduktion Photovoltaik die kostengünstigste Technologie. Weil aber nachts die Sonne nicht scheint und daher eine Photovoltaik-Anlage dann auch stilliegt, kommt in Wüstenstromprojekten zumeist Solarthermie (aus Preisgründen oft in Kombination mit Photovoltaik) zum Einsatz, bei der ein Speichermedium (z.B. Salz) die erzeugte Wärme bündelt und dann dauerhaft abgibt. Desertec ist an vielen aktuell in Umsetzung befindlichen Projekten begleitend beteiligt und so trotz des Scheiterns seiner frühen hochfliegenden Pläne ein wesentlicher Player auf dem Gebiet der solaren Stromerzeugung, der viele andere Vorhaben angeregt hat. Das sind z.B. Projekte in China, Dubai, Australien und Chile.
Kritisch anzumerken bleibt aus meiner Sicht, dass wegen der oft recht geringen industriellen Infrastruktur in den Erzeugerländern und der Tatsache, dass dort oft die Stromerzeugung aus fossilen Quellen vorherrscht, ein Stromtransport über oft mehrere Tausend Kilometeer notwendig ist. Dieser ist aus technologischen Gründen (Gleichstromtrassen) zwar nicht sehr verlustreich, aber sowohl anfällig für terroristische Angriffe als auch ein Element, das politische Abhängigkeit schafft, wie es der Fall Nordstream schmerzvoll für Europa erwiesen hat. Zudem sollte für die solare Stromproduktion sichergestellt werden, dass zuerst die Länder in den Genuss finanziell günstigen Solarstroms kommen, in denen er produtziert wird. Auch außerhalb von Wüsten kann grüner Strom gewonnen werden.