Meine Sachbücher

Vorab: Kommentar in eigener Sache

 Ein Buchautor möchte natürlich, dass seine Bücher gelesen werden und ihren Lesern gefallen, sonst würde er vermutlich gar nicht erst mit dem Schreiben beginnen. Das heißt bei Sachbüchern, die sich an interessierte, aber nicht im Detail fachkundige Leser wenden, dass die Texte ihren Lesern Einsichten und Kenntnisse vermitteln sollen, die ihnen nützlich sind, vor allem dabei, sich eine eigene Meinung zu den behandelten Themen zu bilden.

 Die beiden Sachbücher, die ich hier nachfolgend vorstelle, stammen aus meiner eigenen Feder. Sie sind entstanden, als ich aus dem Berufsleben ausgeschieden war und sich bei mir der Eindruck breit machte, dass ich mit meinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum einen eher wenige Menschen - vor allem Fachkollegen - erreicht hatte, die überwiegend  mit meinen betriebswirtschaftlichen Außenseiter-Positionen nicht viel anzufangen wussten. Andererseits war es mir stets ein wichtiges Anliegen, durch meine Veröffentlichungen den Umbau der Marktwirtschaft zu einer sozial und ökologisch verantwortlichen Wirtschaft zu befördern. Wir können es uns nicht länger leisten, so zu wirtschaften, wie wir es derzeit tun, und damit auch noch ein Beispiel zu sein für Millionen von Menschen in der sog. dritten Welt, die dabei sind, uns in unseren zerstörerischen Wirtschaftsaktivitäten nachzuahmen.

 In beiden Büchern spielt daher eine Fundamentalkritik der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsweise eine zentrale Rolle. Das ist der Tatsache geschuldet, dass ich das Erstrebenswerte, nämlich ein gutes Leben für möglichst viele Menschen im Einklang mit der Bewahrung der Lebensgrundlagen für Mensch und Natur, vor allem wegen unserer Art zu wirtschaften zunehmend gefährdet sehe. Eine nachhaltige Lebensweise ist unvereinbar mit dem Immer-Mehr, wie die Maxime heute lautet. Ich kritisiere unsere Wirtschaftsweise aber nicht um ihrer selbst willen, sondern weil ich sie für grundlegend veränderungsbedürftig halte, wenn wir uns und den nachfolgenden Generationen die Lebensgrundlagen sichern wollen. Um die Nachhaltigkeit stärker ins Zentrum unseres wirtschaftlichen Handelns zu rücken, braucht es einen grundlegenden Wandel hin zu einer natur- und humanverträglichen Wirtschafts- und Lebensweise. Und dazu braucht es jede und jeden. Die Millionen Schülerinnen und Schüler, die sich weltweit bei den Fridays for Future beteiligt und engagiert haben, stimmen mich hoffnungsvoll, dass dieses Anliegen doch erreichbar sein könnte, allen politischen und wirtschaftlichen Widerständen der ewig Gestrigen zum Trotz.

 Heute hätte ich die Bücher vermutlich anders akzentuiert. Ich hätte die Nachhaltigkeit stärker nach vorn gerückt und die Wirtschaftskritik deutlicher auf sie und die aus ihr resultierenden Notwendigkeiten bezogen. Das tue ich jetzt in diesem Blog. Allerdings ohne dass ich vom Inhalt der Bücher etwas zurückzunehmen hätte. Denn es sind die Allmacht des Geldes und die Omnipräsenz des Marktes, die für die Misere, die uns bevorsteht, verantwortlich sind und die wir grundlegend begrenzen und beschränken müssen. Auch in unseren Köpfen. Die Leser meines Blogs bitte ich, wenn sie die Bücher lesen, genauso zu verfahren wie mit den Blog-Texten auch: meine Thesen kritisch zu prüfen und sich ein eigenes Urteil zu bilden.

  Ich stelle die beiden Bücher vor mit dem Klappentext, mit einer kurzen Leseprobe und mit Ausschnitten aus ausgewählten Rezensionen.

 

Des Menschen Wolf - Wie die Herrschaft der Geldökonomie unser Leben zerstört und was wir dagegen tun können

Klappentext:

 Kapitalismuskritik ist wieder salonfähig geworden. Ob es die Heuschrecken-Hedgefonds sind, die Top-Manager der großen Konzerne oder die Investmentbanker – sie sind beinahe täglich im Visier der medialen Kritik oder der Party-Smalltalks: als geldgeil, gierig und geizig. Unberechtigt ist diese Kritik nicht. Aber für viele von uns sind immer nur die anderen schuld. Dabei sind die „Kritiker der Elche“, wenn auch meist in deutlich kleinerem Umfang, genau besehen „selber welche“. Wir alle, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, Unternehmer wie Konsumenten, Politiker und Bürger, handeln oft genau wie diejenigen, die wir so gern kritisieren. Der fiktive Homo Oeconomicus, der Wirtschaftsmensch, den die Ökonomie sich ausgedacht hat, um damit wirtschaftliches Handeln vermeintlich besser erklären zu können, ist längst in uns Realität geworden: Wir haben gelernt, eindimensional geldorientiertes Handeln als Gebot wirtschaftlicher Vernunft zu begreifen. Überall hat der geldgesteuerte Marktmechanismus Platz gegriffen. Auch das Primat der an sachlichen Zielen orientierten Politik verliert zunehmend an Geltung. Dabei ist es genau dieser Handlungstypus, der die zahlreichen externen Effekte mit sich bringt, die wir berechtigterweise beklagen: soziale Disparitäten innerhalb und zwischen verschiedenen Ländern, übermäßiger Ressourcenverbrauch, Klimawandel, gesundheitliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz, Kinderarbeit... Und wir selbst tragen durch unser tägliches Handeln dazu bei, dass diese Probleme nicht etwa gelöst werden, sondern sich immer weiter verschlimmern. Das vorliegende Buch hält dem Fleisch gewordenen Wirtschaftsmenschen den Spiegel vor. Es macht sein Handlungsmuster als irrational erkennbar, deckt die dabei in Kauf genommenen Kollateralschäden auf und belegt sie, wo immer möglich, statistisch. Und es entwickelt Alternativen. Denn es sind nicht die Zwänge des Marktes, die uns keine Wahl lassen, als nur aufs Geld zu schauen. Wir sind mit der Fähigkeit begabt, mehrdimensional zu denken. Wir können die verschiedenartigen Folgen unseres Tuns bedenken, bevor wir handeln. Wir müssen die Herrschaft der Geldökonomie beenden und dem Geld wieder den Status des nützlichen Helfers zuweisen. Nur dann können wir ein gutes Leben für möglichst viele Menschen erreichen.

 

Leseprobe

   In der Marktwirtschaft werden nicht nur die reinen Finanzgeschäfte, sondern auch die Produktion und Konsumtion der sachlichen Güter und Leistungen, derentwegen wir eigentlich wirtschaften, von der Geldökonomie beherrscht. Es sind überwiegend finanzielle Größen, die unsere wirtschaftlichen Entscheidungen bestimmen, und es ist die Mehrung des Geldes auf der einen und das Einsparen von Geld auf der anderen Seite, die unser wirtschaftliches Handeln antreiben. Die Ökonomie liefert uns die Rechtfertigung für dieses Handlungsmuster, ja sie fordert uns geradezu dazu auf, ihm zu folgen, denn sie erklärt es für ein Gebot wirtschaftlicher Rationalität, derart eindimensional zu agieren. Und wer will schon nicht vernünftig wirtschaften?

   Tatsächlich ist es alles andere als vernünftig: Indem wir den realen Sinn des Wirtschaftens hintenanstellen, vergeben wir uns die Möglichkeit, die Dinge und Leistungen, die wir zum Leben brauchen, so zu gestalten und so herzustellen, dass ihre Produktion und ihr Gebrauch die an sie gerichteten qualitativen Anforderungen für möglichst viele Menschen möglichst gut erfüllen. Zudem wird uns der Blick auf die Nebenfolgen für Natur und Gesellschaft verstellt, die wir mit der Produktion und der Nutzung dieser Güter und Leistungen bewirken. Positive Nebenfolgen werden vermieden, weil sie von möglichen Trittbrettfahrern unentgeltlich genutzt werden können. Negative Nebenfolgen werden in Kauf genommen, weil sie vermeintlich nur andere betreffen. Tatsächlich sind es genau diese nicht vermiedenen negativen Nebenfolgen, die unser aller natürlichen Lebensgrundlagen und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft national wie international gefährden.

   Dabei ist es nicht die Geldökonomie als solche, die diese Wirkungen mit sich bringt. Geld als Tauschmittel der Marktwirtschaft hat sich über viele Jahrhunderte bewährt. Es ist die im Zuge ihrer Globalisierung entstandene Totalität, mit der sie sich alle Lebensbereiche unterworfen hat, mit der sie alle Akteure erfasst hat und in Dienst nimmt, die Vieldimensionalität des wirklichen Lebens ausblendet und so zerstört, was sie eigentlich bewirken soll: möglichst vielen Menschen bei ihrem Streben nach einem guten Leben hilfreich zu sein.

   Die Geldökonomie muss wieder in den Stand eines Dieners des Wirtschaftens zurückgeführt werden. Das kann nicht allein dadurch geschehen, dass die Rahmenbedingungen geändert und die Märkte einer wirksameren politisch-rechtlichen Regulierung unterworfen werden, frei nach dem Motto der Staat bzw. die internationale Staatengemeinschaft müssen es richten. Alle Akteure müssen dazu ihre Beiträge leisten. Konsumenten, Produzenten und Politiker müssen ihre sozialen Rollen so wahrnehmen, dass sie nicht nur auf die finanziellen Wirkungen ihres Handelns schauen und sich an diesen ausrichten, sondern dass sie mit bedenken, was sie an weiteren realen Folgen bewirken. Sie müssen Schäden so weit wie möglich vermeiden und dem monetären Kalkül wieder Grenzen setzen. Nur so werden sie selbst, alle heute Lebenden und auch künftige Generationen in die Lage versetzt, ein gutes Leben auf der Basis dauerhaft funktionstüchtiger ökologischer Systeme zu führen.

 

Rezensionen (Auswahl, gekürzt):

  Freimann hat nicht nur die vielgescholtene Finanzindustrie im Visier, die durch die Erfindung zwielichtiger neuer Wertpapiere die Weltwirtschaft ins Wanken gebracht hat. Fast alle Lebensbereiche seien inzwischen vom Gedanken der Gewinnmaximierung und Kostenreduktion durchdrungen. Das gelte beispielsweise für die Unternehmen. Von denen wirtschafte nur ein sehr geringer Teil nachhaltig und vorausschauend. Aber auch die Konsumenten machten es mit einer häufig verbreiteten "Geiz ist geil"-Mentalität nicht besser. "Das Geld gewinnt die Gewalt über uns, indem wir uns ihm unterwerfen", sagt Freimann. Die Politik wird nach Ansicht des Wissenschaftlers ihrer Steuerungsaufgabe nicht gerecht. "Politiker dürfen sich nicht dem Diktat der Finanzwelt unterwerfen, was sie jetzt aber tun", erklärt Freimann. In allen Bereichen sei daher ein Umdenken in Richtung auf mehr Lebensqualität und Nachhaltigkeit nötig. Er plädiert: "Wir können und müssen bei uns selber anfangen". (Hessisch Niedersächsische. Allgemeine 23. 12. 2013)

 

In seinem neuen Buch legt Jürgen Freimann eine wuchtige Kritik am Ökonomismus vor. In bestechend klarer Sprache und mit spitzer Feder geschrieben analysiert er schonungslos offen, wie die Herrschaft der Geldökonomie mittlerweile unser Leben zerstört. Allerdings bleibt er nicht in der Analyse eines beklagenswerten Status quo minus stehen. Auf wohltuend anschauliche und allgemein verständliche Weise zeigt er Alternativen, was wir alle dagegen tun können, und er formuliert dazu beispielhaft einfache, aber treffsichere Handlungsempfehlungen, als Arbeitgeber und Arbeitnehmer, als Unternehmer/Produzent und Konsument sowie als Politiker und Bürger. (Ralf Isenmann, Ökologisches Wirtschaften 4/2014)

 

 »Geld regiert die Welt.« Dieses Credo scheint das Denken und Handeln der Menschen zu bestimmen. Die Kunstfigur »Homo oeconomicus« ist mutiert zum Fleisch gewordenen Wirtschaftsmenschen. Konsumenten wie Produzenten, Politiker und Bürger, Medien und Öffentlichkeit unterliegen der Vorstellung, geldorientiertes Handeln sei das Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Jürgen Freimann analysiert die Folgen der geldgesteuerten Ökonomie: soziale und ökologische Konflikte, ungebremster Verbrauch natürlicher Ressourcen, der weitgehend verdrängte Klimawandel und ausbeuterische Produktionsbedingungen, denen Menschen und Natur ausgeliefert sind. Freimann nennt auch die Ursachen dieser Entwicklung. Zentral sei der Wunsch, sich die Warenwelt möglichst billig anzueignen. Die damit verbundenen Kollateralschäden blendeten die meisten Menschen unserer Überflussgesellschaft aus. Freimann zeigt die Auswege aus dieser Sackgasse. Wirtschaftliches Handeln ist mit Verantwortung für Gesellschaft und Natur eng verbunden. Wir alle sind aufgefordert, die Folgen unserer Entscheidungen zu bedenken.

Für den Autor ist dies eine zentrale Herausforderung, um die Wirtschaft in vernünftige Bahnen zu lenken und möglichst vielen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. (Werner Wild, BUND Magazin 2/2014)

 

Was die Veröffentlichung auszeichnet, ist, dass sie weder eine weitere Variante der betriebswirtschaftlichen Lehrbuchökonomie darstellt noch dem moralisch vereinfachenden Gutmenschen-Lager zuzurechnen ist. Dies wird bereits an der Gliederung bzw. an der inhaltlichen Schwerpunktsetzung der acht enthaltenen Kapitel deutlich: Zunächst stellt Freimann seine Überlegungen „In Kürze vorab“ vor und fragt daran anknüpfend, ob man tatsächlich dem „Zwang der Verhältnisse“ ausgesetzt sei. In den nächsten drei Kapiteln setzt er sich mit den Akteurgruppen „Konsumenten“, „Produ­zenten“ und „Politiker“ auseinander, um dann „Konflikte und Koalitionen“ zu erörtern, die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Unternehmen und Konsumenten, aber auch zwischen Politikern und Konsumenten möglich sind. Nach einem kurzen Exkurs über das Verhältnis zwischen „Geldökonomie und Real­ökonomie“ schließt Freimann seine Ausführungen mit dem Plädoyer „Homo Sapiens statt Homo Oeconomicus“ ab. Die verständlichen, angenehm zu lesenden 180 Seiten werden mit Quellenangaben abgerundet; diese umfassen u. a. auch einige nicht-kommerzielle Internetseiten, die interessante aktuelle Informationen und pointierte Meinungen zum Thema enthalten. Freimann möchte mit seiner Publikation eine breite, nicht ökonomisch vorgebildete Leserschaft ansprechen. Doch das ist aus unserer Sicht „zu kurz gesprungen“: Es stimmt wohl, dass ein ökonomischer Laie mit Hilfe des Buchs in das betriebswirt­schaftliche Denken hineingeführt wird. Doch dadurch, dass der Autor dieses Denken zugleich kritisch hinterfragt, ist der „ökonomisch Gebildete“ gleichermaßen ange­sprochen. (A. Fischer/G.Gerdsmeier, bwp online 2014)

 

Das Buch ist 2013 im Metropolis Verlag Marburg erschienen und nach wie vor in Print- und Digitalversion im Buchhandel und beim Verlag erhältlich.

 

Das Märchen vom gerechten Markt - wie wir den homo oeconomicus überwinden können

Klappentext

Bis zum Herbst 2016 waren CETA, TTIP und Co in aller Munde. Tausende Menschen protestierten gegen die sogenannten Freihandelsabkommen, aber die politisch Verantwortlichen hielten beharrlich an ihnen fest. Seit Donald Trump ist alles anders. Mit seiner Parole „America First“ scheint er das Ende des weltweiten Freihandels einzuläuten. Sollte der nationalistische Populist mit dem roten Schlips am Ende der neue Held der Globalisierungskritiker sein?

Weit gefehlt, meint Jürgen Freimann. Zwar will Trump Mauern bauen und Strafzölle einführen, aber auch Unternehmenssteuern senken, Umweltschutz abbauen und die Banken wieder zu ungezügelten Spekulationen berechtigen. Damit befördert Trump das neoliberale Mantra: Noch mehr Markt, noch weniger Zivilgesellschaft und Staat. Und die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei den Politikern. Freimann zeigt, wie wir mit unseren ganz gewöhnlichen Konsum-, Arbeits- und Lebensweisen an der Umsetzung dieser ökonomischen Logik beteiligt sind. Er beschreibt, welche Auswirkungen die neoliberale Ideologie für Menschen, Gesellschaften und Staaten hat und fragt nach den Alternativen. Auch danach, was wir selbst dazu beitragen können, dem gefräßigen Markt Grenzen zu setzen.

 

Leseprobe

  Märkte, so hören wir immer wieder, führen zu Win-Win-Situationen. Das klingt gut: Alle gewinnen, Anbieter wie Nachfrager. Märkte fördern den Fortschritt und ermöglichen Menschen den Zugang zu Gütern und/oder Leistungen, auf die sie ohne Märkte verzichten müssten. Das kann so sein, muss aber nicht. In der Regel ersetzen Märkte andere, nicht marktliche gesellschaftliche Arrangements, so insbesondere Formen der Selbstversorgung oder der solidarischen Versorgung in nachbarschaftlichen Strukturen.

  Märkte wurden und werden gemacht. Die Macher sind in der Regel aber nicht wir Verbraucher. Es sind am Anfang oft sehr wenige Anbieter, die Märkte schaffen, weil sie sich davon finanzielle Vorteile versprechen. Märkte werden nicht gemacht, um die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Ziel ist es vielmehr, einen kaufkräftigen Bedarf zu wecken. Zumeist ist erst das Angebot da. Es kann nur bestehen, wenn es auf Kunden trifft, die bereit und in der Lage sind, das Angebot anzunehmen und dafür den geforderten Preis zu bezahlen. Dann etabliert sich der Markt. Es finden sich mehr und mehr Nachfrager. Oft kommen dann weitere Anbieter hinzu, die ebenfalls von der geweckten Nachfrage und der Zahlungsbereitschaft profitieren wollen.

  Märkte werden, wie wir gesehen haben, nicht nur von Unternehmen gemacht. Oft ist es die Politik, die eigenes Terrain aufgibt, um es privaten Anbietern zu überlassen. Zwar wurden insbesondere im 20. Jahrhundert zahlreiche Leistungen auf den Staat übertragen, weil man der Auffassung war, dass er unter sozialen Gesichtspunkten das bessere und von allen Bürgern auch bezahlbare Angebot erbringen könne. Daneben gründeten sich – etwa aus der Arbeiterbewegung heraus – Selbsthilfevereinigungen beispielsweise in Form von Wohnungsbau- oder Konsumgenossenschaften, die ein breites bezahlbares Angebot für alle schufen. Der Sozialstaat wurde auf- und ausgebaut, zumindest in Europa.

   Seit den 1980er-Jahren hat sich diese Entwicklung jedoch umgekehrt. Privat und Markt können es besser, lautet seither die Devise. Der Staat ist auf dem Rückzug. Er gibt eigene Angebote auf, lässt private Konkurrenz zu oder schafft die Voraussetzungen dafür. Die Folge: „neue“ Märkte mit allem, was dazugehört, dominiert von privaten Anbietern. Wo wir uns einst als Bürger ohne großen Aufwand und zu bezahlbaren Preisen versorgen konnten, die nicht selten sozial gestaffelt waren (vereinzelt trifft dies heute noch auf einige Angebote der Deutschen Bahn zu), herrschen heute Vielfalt und Unübersichtlichkeit. Manchmal sind die Preise tatsächlich gesunken und üben einen Sog zu immer mehr Konsum aus. Manchmal ist das Gegenteil der Fall. Vielleicht kann man am Gebiss der Menschen bald wieder ablesen, dass sie arm sind.

   Auf den Märkten herrscht Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern. Das soll zu fairen Preisen führen. Das bleibt aber nicht immer so. Oft verschwinden Anbieter auch wieder vom Markt. Sie verlieren im Wettbewerb, werden von Konkurrenten aufgekauft oder gehen in Konkurs. Dann bleiben nur wenige übrig – weniger Konkurrenz ist die Folge. Nicht selten verständigen sich mehrere Anbieter auch darauf, zusammenzuarbeiten anstatt zu konkurrieren. Zwar ist das gegen die Regel und wird auch vom Gesetz verfolgt, findet aber trotzdem immer wieder statt.

 Märkte schaffen Vielfalt, sei es zum Nutzen oder zum Schaden der Nachfrager. Auf den ersten Blick ist Vielfalt gut. Menschen sind verschieden, also ist ein unterschiedliches Angebot zu begrüßen. Manchmal ist Vielfalt aber auch mühsam und lästig. Sie fordert von uns, dass wir uns einen Überblick verschaffen, an dem die Anbieter aber gar nicht interessiert sind. Sie vernebeln Informationen mit blumigen Werbeaussagen, die oft nicht so ganz der Wahrheit entsprechen. Verlässliche Informationen gibt es an Märkten nur von neutralen Beobachtern und Ratgebern, etwa von gemeinnützigen Verbraucherorganisationen. Aber auch die sind oft gar nicht so neutral und unabhängig von den Anbietern, wie man zum Beispiel von den Internet-Vergleichsportalen weiß.

  Vor allem sind Märkte inzwischen überall. Damit dominiert Konkurrenz statt Solidarität. Es besteht nicht selten eine Übersättigung auf der einen, Mangel auf der anderen Seite. Nicht Bedürfnisse zählen, sondern Kaufkraft. Wir Bürger mutieren zu bloßen Konsumenten. Wir versuchen, so viel Geld wie möglich zu verdienen, um als kaufkräftige Nachfrager in der Marktgesellschaft bestehen zu können. Die Welt der Märkte hat von uns Besitz ergriffen. Wenn wir dieser Entwicklung Einhalt gebieten wollen, müssen wir handeln – gemeinsam und jeder für sich.

 

Rezensionen (Auswahl, gekürzt)

  Der Markt, so hören wir immer wieder, führt zu Gewinnern auf allen Seiten. Aus dem Spiel aus Angebot und Nachfrage erwachse Fortschritt, vielen Menschen werde erst durch den einsetzenden Preiskampf überhaupt der Zugang zu bestimmten Gütern gewährt. So weit die Lesart des dominanten Marktfundamentalismus. Die Rede ist vom Homo oeconomicus; der nutzenmaximierende rationale Mensch, der mit anderen nur nach Abwägung aller Vor- und Nachteile interagiert. Welche Spuren dieses Dogma in unseren Köpfen bereits hinterlassen hat, zeigte die marginale Kritik an Angela Merkels Plädoyer für eine „marktkonforme Demokratie“ – die Menschen haben demnach der Ökonomie zu dienen und nicht andersherum.

 In diese Kerbe sticht das neue Buch von Jürgen Freimann. Das Märchen vom gerechten Markt nennt der Gründer des Studiengangs Nachhaltiges Wirtschaften an der Uni Kassel das dominante Wissen um schlanke Staaten und deregulierte Märkte im Dienste des Gemeinwohls. Freimann legt ein kluges Buch zu wichtigen Fragen vor: Wie gerecht ist der Markt? Wer profitiert wirklich? Wie kann es heute noch gelingen, Marktstrukturen zu überwinden? Dabei gelingt es ihm, einen akademischen Diskurs aus den Sphären ökonomischer Theorie in die Arena des alltäglichen Handelns zu verlegen. (Jonas Weyrosta, Der Freitag 26/2017)

 

  "Der Markt" ist alles andere, aber nicht das, was die lobpreisenden Anbeter "des Marktes" behaupten. Deswegen ist der Ausflug des Wirtschaftswissenschaftlers der Universität Kassel, Prof. Dr. Jürgen Freimann, (in die Geschichte des Marktes) so wichtig. Denn wenn man weiß, wann und warum Märkte gegründet wurden und welche Funktion sie erfüllten, dann versteht man auch, wie all jene heute lügen und Märchen und Fakes erzählen, die das Lied vom alles regelnden Markt singen. Dann versteht man sogar irgendwie, warum es Leute wie Trump und Le Pen nach oben spült, berauschte Engländer für einen Brexit stimmen und die EU-Kommission immer noch so tut, als wäre sie ein demokratisch agierendes Regierungsorgan. Was sie nicht ist.

  Eigentlich hätte nicht der Untertitel „Wie wir den homo oeconomicus überwinden können“ aufs Cover gehört, sondern eher etwas wie „Warum TTIP, CETA und Co. unsere Welt in ein Irrenhaus verwandeln werden“. Denn dass Trump und seine Artverwandten überall triumphieren, das hat mit dem falschen Denken hinter dem zu tun, was seit 30, 40 Jahren von neoliberalen Lobbyisten als „der Markt“ angepriesen wird. (Ralf Julke, Leipziger Internetzeitung 5.5. 2017)

 Das Buch ist 2017 im Tectum Verlag Marburg erschienen, als der noch nicht vom Nomos Verlag Baden-Baden übernommen worden war, und trotz dieser Übernahme immer noch im Buchhandel in Print- und Digitalfassung erhältlich.