Diese Rubrik habe ich seit Januar 2025 in Arbeit und werde sie kontinuierlich fortschreiben. Auf der Website "nachhaltig geht" soll nicht nur in aktuellen Blogbeiträgen gezeigt werden, dass Nachhaltigkeit kein Wolkenkuckucksheim ist, sondern eine alternativlose gesellschaftliche Entwicklung, der wir uns zwar verweigern können, die aber unweigerliche Voraussetzung für ein gutes Leben für möglichst viele Menschen und der einzige Ausweg aus dem maßgeblich von unserer aktuellen Wirtschafts- und Lebensweise verursachten Dilemma ist.
Sie soll auch gute Beispiele darstellen, die Grund zur Hoffnung sind. Denn inzwischen gibt es viele Menschen, Initiativen, Unternehmen usw., die sich auf den Weg gemacht haben, die Vision Nachhaltigkeit umzusetzen, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und innerhalb der Grenzen, die uns die große und kleine Politik immer noch setzen. Und mit den Hürden und Begrenzungen, die immer auftauchen, wenn man etwas anders machen will als der Mainstream.
Ich werde sie suchen, finden und aus meiner Sicht darstellen. Das bedeutet unweigerlich, dass ich nur eine eher kleine Auswahl finden und auch diese unvollkommen beschreiben werde. Die Reihenfolge, in der ich die Beispiele darstelle, folgt zwar einer sachlichen Gliederung, stellt aber keine Wertungsreihenfolge dar. Daher bitte ich bereits vorab um Nachsicht für Unvollkommenheiten und Mängel. Kritik ist natürlich auch hier willkommen. Stellungnahmen bitte über den Kontakt-Button abgeben!
Wenn man sich auf die Suche nach Beispielen für ein ehrliches und anspruchsvolles Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen macht, dann kommt man nicht an denjenigen vorbei, die damit bereits vor langer Zeit angefangen haben, damals noch unter der Überschrift „Umweltmanagement“.
Es begann Mitte der1980er Jahre, also einige Jahre nachdem die Studie zu den „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome die Umweltproblematik ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt hatte. Mitglieder des Bundesverbands Junger Unternehmer (BJU, heute Die jungen Unternehmer) gründeten 1984 eine Ökologie-Kommission und entwickelten eine Checkliste, anhand derer Unternehmen eine erste Bestandsaufnahme der Umweltprobleme ihres Unternehmens und ihrer Bewältigungsmöglichkeiten durchführen konnten. Daraus entwickelten sich gleich zwei Verbände einschlägig interessierter Unternehmen, der Förderkreis FUTURE und der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewusstes Management BAUM. Einige Jahre später kam ein dritter Verband hinzu, der sich zunächst Unternehmensgrün nannte und inzwischen Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft heißt. Alle drei Verbände setzen sich für nachhaltige Unternehmenführung ein, bieten Hilfestellungen für ihre Mitgliedsunternehmen und vergeben Preise für ein entsprechendes Engagement. Da inzwischen auch der Deutsche Nachhaltigkeitsrat, die Bundesstiftung Umwelt und andere Organisationen Umweltpreise vergeben, ist die Liste entsprechender Preise sehr lang geworden und selbst für Experten kaum mehr überschaubar.
Zu den Pionieren im Einzelnen: Es waren vor allem unternehmerische Führungskräfte, die das Umweltthema persönlich für sich entdeckt hatten und nicht nur privat, sondern auch in Ihrem Unternehmen praktisch etwas tun wollten, um Umweltprobleme aufzuspüren und konstruktiv zu lösen, auch wenn sich ihre KundInnen oder MitarbeiterInnen gar nicht besonders dafür interessierten. Klaus Günther in der Fa. Bischoff und Klein, Georg Winter von Ernst Winter und Sohn, beide Mitgründer von FUTURE und BAUM, sind hier an erster Stelle zu nennen. Andere wie Franz Ehrnsperger (Neumarkter Lammsbräu), Michael Otto (Otto-Versand), Karl Neff (Neff GmbH), Hans-Olaf Henkel (IBM Deutschland), Hermann Fischer (AURO Pflanzenchemie) und Claus Hipp (HIPP) kommen hinzu. Sie waren die Promotoren eines entsprechenden Engagements der Unternehmen, in denen sie Verantwortung trugen, die sie zum Teil mit gegründet hatten. Schaut man heute in die Internet-Auftritte dieser Unternehmen, dann finden sich nur bei wenigen von ihnen auch weiterhin deutliche Zeichen des damaligen Engagements, vor allem bei der Neumarkter Lammsbräu, bei Hipp und bei AURO. Die anderen bestehen zum Teil nicht mehr, haben die Eigentümer gewechselt oder ihr Nachhaltigkeitsbemühen ist kaum mehr von dem anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Das liegt daran, dass die „Langläufer“ ihr Umweltengagement auch und vor allem in ihren Produkten ausdrücken und nicht nur darin, dass sie negative Umweltaspekte in den Prozessen und im Umfeld verringern bzw. vermeiden, ansonsten aber weitermachen wie gewohnt. Neumarkter Lammsbräu ist eine Öko-Brauerei, HIPP produziert Bio-Nahrungsmittel für Kinder, AURO ist ein Hersteller von Naturfarben. Nachhaltigkeit prägt also das Kerngeschäft und drückt sich damit in allen Bereichen des Unternehmens aus. Der gesamte Lebenszyklus der Produkte und Leistungen dieser Unternehmen ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Wer Kunststoffverpackungen, Werkzeuge oder Computer herstellt, dessen Kerngeschäft ist „normal“, oft wenig modifiziert und eben nicht oder nur begrenzt nachhaltig, wie engagiert auch immer die Chefs oder Manager hinter dem Nachhaltigkeitsanspruch standen.
Ein zweites kommt hinzu. In der Liste der genannten Pioniere finden sich fast nur kleinere bzw. mittlere Unternehmen. Lediglich IBM und Otto sind Großunternehmen. Weitreichendes Engagement für Nachhaltigkeit scheint also nur dann wirklich Chancen auf ernsthafte Umsetzung zu haben, wenn es in Eigentümerunternehmen von umfassend durchsetzungsmächtigen Personen gefördert und gefordert und an entsprechend engagierte Nachfolger übergeben wird. Angestelltes Führungspersonal, so engagiert es sein mag, wird zumeist nach nur wenigen Jahren abgelöst und „vererbt“ dieses Engagement eher selten. Auch auf IBM und Otto trifft dies zu, wenngleich Michael Otto Miteigentümer war.
Zu den erwähnten Pionieren gesellten sich, oft auch bereits in den 1980er Jahren, andere, vor allem Neugründungen, die sich inzwischen soweit etabliert haben, dass sie den meisten von uns bekannt sein dürften. Das sind z.B. Handelsunternehmen im Lebensmittelsektor, im Bürobedarf und im Textilsektor. Genannt seien hier stellvertretend Alnatura, Memo und Hessnatur. Diese Unternehmen haben in ihren Branchen Entwicklungen angestoßen, die inzwischen so weit verbreitet sind, dass es nicht wenige direkte Wettbewerber gibt und auch die konventionellen Konkurrenten mindestens einige Öko-Produkte im Sortiment führen.
Schließlich war und ist es die große Zahl der Öko- bzw. Bio-Bauern, die oft schon weit vor den 1980er Jahren auf den Einsatz chemischer Hilfsmittel verzichteten und Lebensmittel anbauten oder produzierten, die die Lebensgrundlagen bewahren und Mensch und Natur miteinander versöhnen. Ich nenne hier wegen der großen Zahl nicht einzelne Betriebe, sondern die Verbände, die Anregungen geben und Produktzeichen vergeben und damit den Verbraucher*Innen garantieren, dass die so ausgewiesenen Produkte nach den Öko-Kriterien der Verbände hergestellt wurden. Dies sind vor allem demeter, der bereits 1924 gegründete Verband auf Grundlage der Lehre Rudolf Steiners, sowie Bioland. Inzwischen gibt es ca. 37.000 Bio-Betriebe, die ca. 12% der landwirtschaftlichen Fläche bewirtschaften. Nicht selten verkaufen die Öko-Bauern in Hofläden oder im Direktvertrieb ihre Produkte an Menschen in ihrer Region und tragen auch auf diesem Weg zur Nachhaltigkeit bei.
Auch wenn hier nur einige wenige erwähnt werden können, ohne die Pioniere wäre es kaum dazu gekommen, dass heute in fast jeder Branche Umwelt und Nachhaltigkeit ein großer Thema ist. Leider entsteht dabei allerdings öfter der Eindruck, dass eher Greenwashing im Spiel ist und kein ernsthaftes Bemühen um Nachhaltigkeit. Hierzu positiv abweichende aktuelle Beispiele zusammenzutragen, die noch nicht so bekannt sind wie die Pioniere, das ist meine Absicht in dieser Kolumne.
Das Prädikat „nachhaltig“ wird heute geradezu inflationär verwendet, zumeist ohne auch nur den Versuch zu machen kundzutun, was man darunter verstehen will. Damit wird es beliebig und abgedroschen. Nur allzu verständlich ist es daher, dass viele Menschen davon die Nase voll haben. Denn damit ist so gut wie nichts mehr nicht nachhaltig und trotzdem verbessert sich die Lage überhaupt nicht, eher im Gegenteil. Die EU-Taxonomie erklärt z.B.Atomkraftwerke für eine nachhaltige Form der Energierzeugung. Ikea bewirbt seine fleischlosen Köttbullar als nachhaltig. Und Elektroautos sind nicht nur für die Hersteller, sondern auch für viele Nutzer nachhaltige Verkehrsmittel, gleichgültig ob als tonnenschwerer Hybrid-SUV oder als stadttauglicher Kleinwagen. Immerhin sind letztere unter bestimmten Bedingungen eine Etappe auf dem Weg zu einer möglichst wenig umweltschädlichen Mobilität.
Ich möchte diese schlechten Gewohnheiten nicht nachahmen, denn dahinter steckt oft nichts als Greenwashing, um das eigene Angebot auch in diesen Zeiten gut verkaufen zu können, und ich habe hier nichts zu verkaufen. Deshalb will ich, bevor ich mich ausgesuchten Beispielen zuwende, ein paar Worte dazu schreiben, was meine Gesichtspunkte dafür sind, bei den Beispielen von Nachhaltigkeit zu sprechen.
Diese fünf Gesichtspunkte mögen theoretisch hochtrabend klingen. Sie sind aber schon eingedampft gegenüber dem, das ich zu meiner aktiven Zeit als Prof. den Studierenden zu vermitteln versucht habe. Denn sie zu beachten ist notwendig, wenn man der beliebigen und inflationären Verwendung des Begriffs entkommen will. Wenn ich nachfolgend Beispiele auswähle und beschreibe, dienen sie mir als Auswahlkriterien und Maßstäbe zugleich. Weist mich bitte darauf hin, wenn Ihr den Eindruck habt, das träfe nicht zu!
Was sind die Felder, die umgestaltet werden müssen, wenn Nachhaltigkeit eine Chance bekommen soll? Aus meiner Sicht sind das die Lebensbereiche, die für unser Überleben ganz generell von zentraler Bedeutung sind:
Wenn wir zudem die Bereiche in Blick nehmen, auf denen unsere Lebens- und Wirtschaftsweise bereits in zum Teil erheblichem Umfang Schäden angerichtet hat und dies auch weiterhin nahezu ungebrochen tut, dann kommen weitere Handlungsfelder dazu, die der Wiederherstellung unserer gefährdeten Lebensgrundlagen dienen:
Damit sind die acht Felder genannt, auf denen ich Beispiele für gelungene oder aus meiner Sicht erfolgversprechende Aktivitäten für Nachhaltigkeit suchen und darstellen will. Weil ich jetzt erst damit anfange, kann ich noch nicht versprechen, wie schnell ich etwas Berichtenswertes finde und dann auch hier veröffentlichen kann. Dass ich schon ein paar Ideen habe, sei als kleine Neugier weckende Anmerkung aber schon einmal verraten.
Leben auf der Erde ist nur dadurch möglich, dass dem Planeten von der Sonne Energie zugeführt wird. Sie ermöglicht Photosynthese und ist damit neben Wasser zentrale Grundlage von pflanzlichem und tierischem Leben. Seit Menschen Feuer machen, nutzen sie auch dessen Energie z.B. zum Kochen oder zur Wärmegewinnung. Dabei diente zunächst vor allem Holz und damit ein nachwachsender Rohstoff als Energiequelle. Später kamen Kohle, Gas und Erdöl und schließlich Kernkraft als fossile und damit nicht-nachwachsende Energiequellen hinzu. Auch Sonne, Wasser und Wind wurden schon früh und werden erst recht zukünftig als Energiequellen genutzt. Denn vor allem wegen der begrenzten Vorräte an fossilen Energiequellen und der von Verbrennungs-Emissionen hervorgerufenen Erderwärmung muss möglichst zeitnah und weltweit eine Substitution von fossilen durch nachwachsende Energieträger stattfinden.
Die heutigen Lebens- und Wirtschaftsstrukturen sind dadurch geprägt, dass neben der stationären Nutzung auch eine mobile Nutzung und damit die Transportfähigkeit der Energieträger erforderlich sind. Während die stationäre Nutzung leitungsgebunden erfolgen kann, muss die mobile Nutzung von transportablen Energieträgern gewährleistet werden. Insbesondere dafür muss der elektrische Strom als der für die Gewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen, vor allem Sonne und Wind, am besten geeignete Energieträger in wiederaufladbaren Behältnissen tarnsportfähig gemacht werden. Umgekehrt können und müssen diese aber auch stationär als Strom-Aufbewahrungsmedien für Zeiten verwendet werden, in denen Sonne und Wind nicht kontinuierlich als Energiequellen nutzbar sind (Stichwort Dunkelflaute).
Die kontinuierliche und stationär wie mobil ubiquitäre Verfügbarkeit von Energie ist damit eine zentrale Voraussetzung für das heutige Leben und Wirtschaften, wie wir es in den industriell entwickelten Ländern zu führen gewohnt sind und alsWohlstandsmerkmale auch künftig erhalten wollen. Projekte, die dazu beitragen, dass dies aus nachwachsenden Quellen erreicht und gesichert werden kann, haben damit eine zentrale Bedeutung für die nachhaltige Entwicklung. Sie stehen daher am Anfang meiner Darstellung von guten Beispielen.
Bevor ich aber auf beispielhafte Projekte zur Energiegewinnung auf Grundlage nachwachsender Ressourcen eingehe, soll nicht vergessen werden, dass insbesondere für den globalen Norden das Energiesparen eine grundlegende Aufgabe ist, die den Herstellungs- und Nutzungsoptionen immer vorgelagert sein muss. Das beginnt bei der Entwicklung von energiesparenden Geräten aller Art, setzt sich fort bei der intelligenten Nutzung dieser Geräte z.B. zu Zeiten, in denen die natürlichen Quellen Energie im Überfluss liefern und endet schließlich auf der Verhaltensebene, wo jede*r von uns immer wieder gefordert ist zu prüfen, ob und wie er*sie auf die Nutzung von technischer Energie nicht auch verzichten kann, ohne damit Einbußen an Lebensqualität zu erleiden. Das heißt z.B., ob es unbedingt das individuelle Streamen von Filmen und Serien über das Internet sein muss, das jedes Mal Strom verbraucht, oder ob es nicht das lineare Fernsehen auch tut, wenn man sich mediale Unterhaltung gönnen möchte. Auch das Lesen eines Buches oder Spielen eines analogen Spiels bieten interessante Alternativen ohne Energieverbrauch, zumindest wenn man die dafür notwendige Hardware bereits besitzt. Soviel vorab.
Nun aber zu den Beispielen: Wer die Energie der Sonne für die Produktion von elektrischem Strom nutzen will,tut dies am besten dort, wo die Sonne häufig und intensiv scheint, also nicht in Nordhorn, sondern z.B. Nordafrika. Experten haben ermittelt, dass eine Wüstenfläche von 250 km2 ausreichen würde, um die ganze Welt mit Solarstrom zu versoregn.
Eines der frühen Projekte für solare Energiegewinnung war und ist daher Desertec. Hier handelt es sich um eine bereits Anfang der 2000er Jahre ins Leben gerufene Initiative zur solaren Stromproduktion in den Ländern Nordafrikas zur Eigennutzung dort und zum Transport über Gleichstromleitungen in die industriellen Zentren Europas. Weil seinerzeit sowohl die solare Stromezeugung als auch der leitungsgebundene Stromtransport noch sehr teuer war, konnten die frühen Planungen nicht wirtschaftlich umgesetzt werden. Allerdings erwiesen diverse Forschungsprojekte die prinzipielle Machbarkeit der Idee, so dass ihre Verfechter langen Atem bewiesen, 2009 die Desertec Foundation gründeten und trotz diverser Rückschläge ab 2014 in Marokko und Ägypten Pilotanlagen initiierten sowie den Bau einer Stromtrasse zwischen Tunesien und Italien unterstützten, die inzwischen realisiert worden ist.
Zwar wäre für diese Art der Stromproduktion Photovoltaik die kostengünstigste Technologie. Weil aber nachts die Sonne nicht scheint und daher eine Photovoltaik-Anlage dann auch stilliegt, kommt in Wüstenstromprojekten zumeist Solarthermie (aus Preisgründen oft in Kombination mit Photovoltaik) zum Einsatz, bei der ein Speichermedium (z.B. Salz) die erzeugte Wärme bündelt und dann dauerhaft abgibt. Desertec ist an vielen aktuell in Umsetzung befindlichen Projekten begleitend beteiligt und so trotz des Scheiterns seiner frühen hochfliegenden Pläne ein wesentlicher Player auf dem Gebiet der solaren Stromerzeugung, der viele andere Vorhaben angeregt hat. Das sind z.B. Projekte in China, Dubai, Australien und Chile.
Kritisch anzumerken bleibt aus meiner Sicht, dass wegen der oft recht geringen industriellen Infrastruktur in den Erzeugerländern und der Tatsache, dass dort oft die Stromerzeugung aus fossilen Quellen vorherrscht, ein Stromtransport über oft mehrere Tausend Kilometeer notwendig ist. Dieser ist aus technologischen Gründen (Gleichstromtrassen) zwar nicht sehr verlustreich, aber sowohl anfällig für terroristische Angriffe als auch ein Element, das politische Abhängigkeit schafft, wie es der Fall Nordstream schmerzvoll für Europa erwiesen hat. Zudem sollte für die solare Stromproduktion sichergestellt werden, dass zuerst die Länder in den Genuss finanziell günstigen Solarstroms kommen, in denen er produtziert wird. Auch außerhalb von Wüsten kann grüner Strom gewonnen werden.
Da Strom aus ernerneuerbaren Quellen ohne Speichermöglichkeit nicht dauerhaft genutzt werden kann, kommt seiner Speicherung besondere Bedeutung zu. In den Wüstenstrom-Projekten, die mit Solarthermie arbeiten, ist eine solche Speichermöglichkeit integriert, die eine Stromlieferung über 24 Stunden gewährleisten kann. In Ländern und Regionen, in denen die Sonne auch einmal länger nicht scheint, reicht diese Möglichkeit nicht aus. Hier müssen größere Speicherkapazitäten geschaffen werden, um Unterbrechungen der Lieferfähigkeit zu vermeiden. Zudem fällt bei Sonnenschein und starkem Wind nicht selten erheblich mehr Strom an, als aktuell genutzt werden kann. Das führt z.B. dazu, dass Solar-und Windkraftwerke ihren die aktuelle Nachfrage übersteiegenden Strom nicht nur nicht verkaufen können, sondern Geld dafür zahlen, dass ihnen jemand den Strom abnimmt, oder sogar „abregeln“, d.h. die Systeme ausschalten. Hier ist die Speicherung dieses Überschusstroms angesagt. Dafür kommt z.B. die Umwandlung in Wasserstoff infrage, die zwar ein energetischer Umweg ist, weil sie nur mit erheblichen Verlusten bis zu über 50% zu bewältigen ist und sehr hohe Investitionen erfordert. Allerdings kann Wasserstoff nicht nur als Speicher fungieren, sondern macht auch für die industrielle und die mobile Verwendung durchaus Sinn.
Außer der Umwandlung in Wasserstoff gibt es verschiedene andere Speichertechniken. Vor allem Groß-Akkus werden hier zum Einsatz kommen, und zwar insbesondere Lithium-Ionen-Akkus, wie sie bereits in E-Autos eingesetzt werden. Sie sind allerdings kaum als Langzeitspeicher geeignet, sondern nur als Leistungs- oder Verschiebespeicher für Zeiträume von Minuten bis Stunden brauchbar. Auch die notwendigen Kapazitäten sind mittelfristig nicht realistisch zu schaffen. Das liegt vor allem an den wirtschaftlichen, geopolitischen und ökologischen Problemen im Bezug auf den Rohstoff Lithium. Seine Gewinnung bringt gravierende Umweltprobleme mit sich, China ist mit deutlichem Abstand größter Produzent, sein Preis ist binnen weniger Jahre um 100% gestiegen.
Pumpspeicher dagegen, in denen Wasser in höhergelegene Speicher gepumpt und bei Bedarf wieder abgegeben wird, gibt es in Deutschland bereits seit langem, allerdings in bescheidenem Umfang von etwa knapp 10 Gigawattstunden. Müssten sie das Land komplett versorgen, käme es binnen kurzem zum Blackout, denn der Jahresstromverbrauch Deutschlands liegt zwischen 500 und 600 Terrawattstunden (Faktor Tausend). In Norwegen dagegen gibt es Speicherseen mit einer Kapazität von 84 Terrawattstunden, so dass dort erheblich Mengen Strom vorgehalten werden und abgerufen werden können.
Daher versuchen Unternehmen, große Batteriespeicher zu errichten, die den von grünen Quellen gewonnenen Strom auf- und wieder abgeben können. Dafür gibt es wiederum verschiedene Technologien jenseits von Lithium; zum einen Hubspeicher, die analog zu Pumpspeichern feste Elemente (z.B. faserverstärkten Beton) heben, um beim anschließenden Senken diese Energie wieder abzugeben. Am weitesten fortgeschritten ist hier nach meinem Eindruck die 2017 gegründete Schweizer Firma Energy Vault. Hier handelt es sich allerdings um ein Start-up, das inzwischen immer mehr in die Fänge der Finanzanleger geraten ist und daher Gefahr läuft, von diesen eher zum Geldverdienen als zur Ermöglichung der grünen Energiewende genutzt zu werden.
Ein ähnliches Schicksal droht dem US-Start-up Form Energy, das Eisen-Luft-Batterien entwickeln und zur Stromspeicherung nutzen will. Diese Technik benötigt allerdings ca. 100 Stunden zur Speicherung des Stroms, so dass sie für den Ausgleich kruzfristiger Schwankungen nicht geeignet ist. Zudem ist ihr Wirkungsgrad eher demjenigen der Wasserstoff-Speicherung vergleichbar.
Auch in Deutschland werden inzwischen in größerem Umfang Speicheranlagen errichtet, die in der Lage sind, größere Mengen grünen Stroms zwischenzuspeichern, um sie in Zeiten höheren Strombedarfs und/oder geringer Gewinnung (Stichwort Dunkelflauten) in das öffentlich Stromnetz zurückzuliefern. Ein solches Projekt entsteht derzeit gerade in der Nähe von Hildesheim in Niedersachsen. Dort errichtet ein Konsortium aus Nidec Conversion, Obton und KYON ENERGY ein Batteriespeichersystem mit einer Leistung von 137,5 MW und einer Kapazität von 282 MWh, das 2026 in Betrieb gehen soll. Um die hierzulande definierte Zielsetzung zu erreichen, 2032 auf 100% grünen Strom umzustellen,sind derartige Prijekt von großer Bedeutung.
Insgesamt gibt es mithin eine ganze Reihe von Möglichkeiten, das Problem der schwankenden Stromgewinnung aus Sonne und Wind zu überbrücken die sich zum Teil noch im Erprobungsstadium befinden. Aber es gibt eben auch Akteure, die mit Erfolg daran arbeiten, sie in größerem Umfang einsatzfähig zu machen. Der Zeithorizont, innerhalb dessen hier großskalige Lösungen verfügbar sein werden, lässt sich aus meiner Sicht nicht seriös einschätzen.
Sowohl bei Desertec und Nachfolgern als auch bei den verschiedenen Anbietern von Speichertechnologien handelt es sich durchweg um konventionelle privatwirtschaftliche Unternehmen. Ihr vorrangiges Interesse ist es nicht, die Grüne Energiewende voranzutreiben, um den Klimawandel zu stoppen und andere Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen. Sie wollen Gewinne erzielen, lieber mehr als weniger. Das ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht grundsätzlich problematisch, sondern entspricht dem Steuerungsprinzip des Wirtschaftssystems. Aber es relativiert die Erwartungen, die man aus Nachhaltigkeitsperspektive an ihre Aktivitäten richten mag. Im Zweifel werden Unternehmen Maßnahmen ergreifen, die sich für sie „rechnen“ und Maßnahmen unterlassen, die sie mehr kosten als sie einzubringen versprechen, egal mit welchen Effekten für die Gesellschaft.
Daher möchte ich solchen Aktivitäten besondere Aufmerksamkeit zu schenken, die nicht vorrangig um des finanziellen Gewinns wegen gestartet und durchgeführt werden, sondern aus sozialen und/oder ökologischen Gründen. Wenn dann auch noch ein Geschäftsmodell entsteht, das den darin tätigen Menschen ein auskömmliches Leben ermöglicht, um so besser. Wenn das ursprüngliche Anliegen jedoch des kommerziellen Gewinns wegen zunehmend verwässert oder gar pervertiert wird, ist Skepsis angebracht.Ich habe das im Blog unter „Grüne Gründer“ genauer dargelegt.
Hier möchte ich ein Beispiel schildern, das zeigt, wie es anders geht: Die „Stromrebellen“ der Elektrizitätswerke Schönau. Nach dem 1986er Super-Atomgau von Tschernobyl gründeten sich die Bürgerinitiative «Eltern für eine atomfreie Zukunft», aus der die ESW hervorgingen. Sie setzen mit einer überregionalen Kampagne in ihrer Heimatgemeinde den Kauf des örtlichen Stromnetzes durch und fördern zunächst regional, später deutschlandweit verschiedene Initiativen zur grünen Stromerzeugung.
Seither unterstützen sie deutschlandweit etwa 8.400 ökologische Energieerzeugungsanlagen in Bürgerhand. Als 1998 der deutsche Strommarkt „liberalisiert“ wird, d.h. im ganzen Land private Stromanbieter staatlich zugelassen werden, starten auch die Stromrebellen den Aufbau eines bundesweiten Angebots. Heute beziehen über 185.000 Haushalte „echten“ Ökostrom und Biogas von den EWS und zahlen dabei einen „Sonnencent“, mit dem weitere Bürgerenergieprojekte unterstützt werden. EWS sind heute eine Genossenschaft, wodurch ihr Fokus auf die inhaltliche Arbeit des Unternehmens abgesichert wird, und sehen es als eine ihrer Hauptaufgaben an, die Teilhabe möglichst vieler Menschen an der Energieproduktion und –verteilung zu ermöglichen. Wenn es künftig gelänge, die von den Kosten her konkurrenzlos günstige grüne Stromproduktion endlich statt nach dem Prinzip des Merit Order als Gewinnmaschine für die Erzeuger als Preisanreizsystem für die Verbraucher zu nutzen, würde ein enormer Nachfrageschub für Wind-, Sonnen- und andere Formen der grünen Stromerzeugung einsetzen und die Erreichung der vollmundig formulierten politischen Ziele gewährleisten.
Bürgerenergie war und ist das Charakteristikum der Stromrebellen. Es ist zugleich ein gangbarer Weg für alle diejenigen, die die Erzeugung des von ihnen benötigten Stroms selbst in die Hand nehmen wollen. Und da gibt es inzwischen viele andere Beispiele. Allein das Bündnis Bürgerenergie führt auf seiner Seite ca. 80 derartige Einrichtungen auf, die lokal oder regional grüne Energie erzeugen und unter Nutzung der regionalen Netze an ihre Kunden abgeben. Allerdings sind die formalen und rechtlichen Hürden für diese Einrichtungen ziemlich groß, weil es der Lobby der großen Erzeuger bisher gelungen ist, selbst diesen kleinen "Konkurrenten" das Leben schwer zu machen. Denn der Zugang zu den Stromnetzen wird durch verschiedene rechtliche Vorschriften erheblich erschwert. Allerdings gibt es staatliche Förderprogramme, die zumindest die finanziellen Hürden überwindbar machen sollen.
Ein Zukunftsprojekt, das in anderen EU-Ländern bereits verwirklicht wurde, ist das sog. Energy Sharing. Hierzu gibt es bereits seit 2018 eine EU-Richtlinie, die allerdings in Deutschland bisher nicht in nationales Recht umgesetzt worden ist. Hier geht es darum, für Energiegemeinschaften den Netzzugang zu erleichtern und den Stromproduzenten, die zugleich Konsumenten sind und deshalb auch Prosumenten genannt werden, unbürokratisch den Verbrauch des selbsterzeugten Stroms zu ermöglichen, ohne dafür mit bürokratischen Hürden und zusätzlichen Kosten belastet zu werden. Die sog. Bürgerenergiegesellschaft betreibt im räumlichen Zusammenhang eine oder mehrere Erneuerbare-Energien-Anlagen. Sie versorgt sich dabei mit Strom aus ihren eigenen Produktionsanlagen und bezieht lediglich zusätzliche Strommengen von anderen. Das muss vor allem über eine attraktive Preisgestaltung ermöglicht werden und könnte – flächendeckend umgesetzt – einen erheblichen Teil der Energiewende umsetzen, allerdings naturgemäß zulasten der bisherigen großen Stromerzeuger und -verteiler. Da die Berliner Ampelregierung, die hier an einem gesetzlichen Umsetzungskonzept gearbeitet hat, dies nun nicht mehr fortsetzen kann, wird abzuwarten sein, was die neue schwarz-rote Koalition hierzu auf den Weg bringt.
Zu diesem Thema finden sich bereits viele Beiträge im Blog: vom großen Überblick über die Agrar- und Ernährungswende bis zu kleineren Beiträgen zum Selber Kochen, Solidarischer Landwirtschaft, zum Verganismus und zur nachhaltigen Fischerei. Ich möchte daher hier nur noch einige Beispiele zusammentragen, die mir bei meinen Recherchen aufgefallen sind, ohne den Anspruch zu erheben, hier auch nur annähernd alle gefunden zu haben.
Beginnen will ich mit der internationalen Slow-Food-Bewegung , nicht weil ich am Ende der Enährungskette – in der Gastronomie – den Stein der Weisen entdeckt habe, sondern weil slow food eine der ältesten Bewegungen ist, die sich für eine gute menschliche Ernährung einsetzen, die sowohl die Produktion, als auch die Verarbeitung und den Genuss von Lebensmitteln im Blick hat. Nachhaltigkeit war dabei nicht der wesentliche Gründungsantrieb, ist wohl aber der Kern des heutigen Anliegens.
Slow Food wurde 1986 in Italien gegründet, und zwar als Antwort einiger gutes regionales Essen gewohnten Italiener auf die Eröffnung der ersten McDonalds-Filiale in Rom. Inzwischen ist Slow Food eine internationale Vereinigung mit knapp 80.000 Mitgliedern in 150 Ländern. Die Organisation versteht sich als Lobby für Geschmack, für regionalen und ökologischen Anbau und für den Erhalt der Biodiversität und der regionalen Esskultur. Auf seiner Homepage setzt sich slow food für gute, saubere und faire Lebensmittel für alle Menschen ein und trifft damit den Kern dessen, was nachhaltige Ernährungskultur ausmacht.
Weil ich mit der Gastronomie angefangen habe, könnte der Eindruck entstehen, ich würde gute und nachhaltige Ernährung nur den Profis zutrauen, Dem ist definitiv nicht so, eher im Gegenteil. In der konventionellen Gastronomie kann man geradezu sträflichen Umgang mit Nahrungsmitteln erleben. Von kalorienbombigem Fast Food in den einschlägigen Ketten bis hin zu Spielerei mit Lebensmitteln in der Sterneküche. Beides ist nicht globalisierbar ohne ökologische und soziale Schäden. Slow Food geht hier einen guten Mittelweg. Aber die eigene Herstellung der Lebensmittel in der heimirschen Küche ist aus meiner Sicht der Königsweg. Wer sich die Muße gönnt, selbst zu kochen, was ihr/ihm schmeckt und dabei antürlich auf Ausgewogenheit und Nachhaltigkeit achtet, der kann aus meiner Sicht kaum etwas falsch machen. Lieber mal einen Fernsehkrimi oder eine Netflix-Serie weniger gucken und stattdessen gemeinsam etwa schönes kochen, das ist für mich ein wesentlicher Bestandteil guten Lebens.
Lasst uns nun aber an den Anfang der Ernährungskette springen, und uns denjenigen zuwenden, die die Voraussetzungen für eine nachhaltige Ernährungskultur schaffen, den Erzeugern. Hier sind aus meiner Sicht vor allem die vielen bäuerlichen Betriebe zu nennen, die – als Mitglied einer der Erzeugergemeinschaften wie Bioland, Demeter und Naturland oder auch als konventionell wirtschaftende regionale Betriebe – Pflanzen und/oder tierische Lebensmittel herstellen und immer öfter direkt über Wochenmärkte oder Hofläden verkaufen. Ihre Zahl ist Legion. Für Interessierte, die Hofläden in ihrer Region suchen, bietet sich die Homepage der Initiative Heimische Landwirtschaft an, die über 1.200 Höfe aus ganz Deutschland erfasst und damit ein wichtiges Bindeglied zwischen Verbrauchern und landwirtschaftlichen Betrieben darstellt. Die Initiative bietet auch einen „Hofladenfinder“, der den Nutzern nahegelegene Hofläden und deren Sortimente aufführt. Nicht selten bieten diese Betriebe auch die Möglichkeit zur Gemüseselbsternte oder zur sogenannten Solidarischen Landwirtschaft, wo Verbraucher unter Zahlung eines festen monatlichen Betrages zumeist wöchentlich mit jeweils verfügbaren Lebensmitteln beliefert werden. Eine dritte Alternative, die sich der Vermarktung regionalen Wildfleischs widmet, stellt die kostenlose Waldfleisch App dar. Auf ihr bieten über 9.000 Jäger bundesweit ihre Erzeugnisse an, die sie direkt ohne Zwischenstation an Verbraucher abgeben. Die App ist inzwischen auf mehr als 400.000 Handys installiert und ermöglicht so eine direkte Kontaktherstellung zwischen regionalen Anbietern und Nachfragern. Zwar wird Fleischkonsum von immer mehr insbesondere jungen Menschen nicht zuletzt aus Nachhaltigkeitsgründen abgelehnt. Zumindest heimisches Wild stellt allerdings aus meiner Sicht durchaus eine akzeptable Nahrung dar, die durch die Direktvermarktung zudem Bewusstsein dafür schaffen kann, dass und wie auch tierische Produkte nicht in Widerspruch zum Bemühen um ein nachhaltiges Leben stehen müssen.
Auch die Suche nach Fleischersatzprodukten gehört aber natürlich zum Bemühen um eine nachhaltige Gestaltung der menschlichen Ernährung, insbesondere im Angesicht des weltweiten Bevölkerungswachstums. Hier möchte ich zwei Ansätze darstellen, die mich beeindrucken.
Garnelen sind nicht nur schmackhaft, sondern ein proteinhaltiges gesundes Nahrungsmittel, dessen Produktion erheblich günstiger und klimafreundlicher gestaltet werden kann als von anderen tierischen Produkten. Die konventionelle Garnelenzucht ist aber bekanntermaßen mit erheblichen Umweltschäden verbunden. Dem wirken zahlreiche Initiativen entgegen, die sich der Garnelenzucht widmen. So existiert an der Universität Gießen ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur nachhaltigen Garnelenzucht.
Bereits umgesetzt wird die ökologische Garnelenzucht von Betrieben wie Neue Meere. Dabei handelt es sich um ein Start-up aus der Region Hannover, das terrestrische Garnelenzucht mit ökologischem Anspruch betreibt. Auf der Homepage heißt es dazu: „Mit unserem Unternehmen setzen wir in jedem Bereich auf Nachhaltigkeit und Innovationskraft. Wir gehen die Extrameile, um Bisheriges zu hinterfragen und Dinge neu anzugehen. Gemeinsam mit unserem Team erobern wir Neue Meere!“ Ähnliche Initiativen gibt es z.B. auch in Peru, wo die Naturland-Organisation eine dortige Garnelenzucht begleitet, die die klimatischen Vorteile des Landes nutzt.
Insekten werden zumindest in Mitteleuropa von den meisten Menschen bisher nicht als Nahrungsmittel akzeptiert. Auf der anderen Seite stellen sie durchaus eine Alternative zum Fleischkonsum dar. Denn sie sind wie Garnelen ein exzellenter Proteinlieferant. Daher wird auch diese potentielle Nahrungsalternative erforscht und genutzt. So gibt es z.B. die Firma EntoSus in Bremen, die essbare Insekten produziert und vermarktet, mit ökologischem Anspruch und erheblich klimaschonender als die Fleischproduktion. Wiederum an der Universität Gießen geht man sogar einen Schritt weiter und plant den Aufbau einer industriellen Zucht und Verwertung von Mehlwürmern, Soldaten fliegen und Schaben, um diese nicht nur als Lebensmittel sondern auf verschiedenen Gebieten zum Einsatz zu bringen. Aus den Lipiden will man Hochleistungsschmierstoffe erstellen, aus dem Chitin der Panzer Inhaltsstoffe für Kosmetika. "Und selbst das, was bei der Zucht übrig bleibt – also die Insektenkacke, wenn man so will – wird bei uns verwertet", sagt der Forschungsleiter. Den sogenannten Fraß will man zu Biodünger mit hervorragenden Eigenschaften machen oder ihn durch Pyrolyse in Kohle verwandeln, die man als nachhaltige Baustoffe verwenden kann. Kreislaufwirtschaft im besten Sinne. Auch wenn hier sicher noch Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu leisten ist, der Ansatz scheint mir zukunftsträchtig. Als einzige Hürde sehe ich die kulturelle Akzeptanz beim Verbraucher. Insgesamt aber tut sich viel im Bereich Lebensmittelproduktion und Ernährung, so dass ich keineswegs schwarz sehe, dass nicht auch hier nachhaltig geht.
Wohnen gehört zu den menschlichen Grundbedürfnissen, egal in welchem Zeitalter oder in welchem Land der Welt. Dennoch ist es in hohem Maße kulturell überformt, denn das Wie des Wohnens ist nicht nur in der heutigen Zeit sondern auch in der Geschichte höchst unterschiedlich ausgeprägt: von der Hütte bis zum Schloss, von der Höhle bis zum Hochhaus. Was der eine als höchstes Glück empfinden würde, z.B. eine Einraumwohnung in einem kleinen festen Gebäude, würde die andere empört zurückweisen: neben Wohn-, Schlaf-, Ankleide- und Esszimmer müsste schon Sauna, Pool und Flugplatz dabei sein, um es akzeptabel zu finden.
Dabei ist kulturell angemessenes Wohnen keineswegs für alle Menschen gewährleistet. Wohnen als Menschenrecht ist nicht eingelöst. Dabei ist es in internationalen und europäischen Menschenrechtsverträgen geregelt und findet sich bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 sowie in diversen internationalen Verträgen. In Deutschland hat das Verfassungsgericht ein „Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum“ fixiert: Dieses Existenzminimum umfasst auch einen menschenwürdigen Wohnraum. Dennoch waren 2024 über 530.000 Menschen in Deutschland wohnungslos. Sie lebten auf der Straße, wohnten vorübergehend bei anderen oder in Notunterkünften.
Amnesty International beziffert die Zahl der Menschen, die weltweit in prekären Wohnverhältnissen leben oder gar keinen festen Wohnraum haben, auf 1,8 Milliarden. Dabei spielen als Gründe für Wohnunslosigkeit vor allem Krieg, Vertreibung und Flucht, Armut sowie individuelle gesundheitliche Probleme eine Rolle.
Nicht selten ist auch die allgemeine Wohnsituation nicht-wohnungsloser Menschen problematisch. Insbesondere in Städten herrscht Wohnungsmangel, es gibt zu wenige bezahlbare Wohnungen und auch deren Größe entspricht oft nicht den Bedürfnissen der Menschen. In strukturschwachen Regionen und im ländlichen Raum dagegen herrscht Wohnungsleerstand, weil Arbeitsplätze fehlen und/oder junge Menschen weggezogen sind. In den deutschen Metropolen galoppieren die Mieten seit Jahren. In Berlin kostet aktuell eine einfache 60-m2-Wohnung 650 € kalt, in Stuttgart über 800 € und in München sogar 1.150 €. Wer das deutsche Medianeinkommen von monatlich etwa 2.700 € verdient, muss also in München etwa 42% seines Einkommens für eine solche Wohnung ausgeben, wenn er denn überhaupt eine findet. Genau 50% aller Deutschen verdienen weniger als das mittlere Einkommen.
Tatsächlich ist bedürfnisgerecht wohnen jedoch nicht nur ein soziales Problem. Knapp 40% des ökologischen Fußabdrucks einer Gesellschaft wird vom Lebensbereich Bauen und Wohnen verursacht. Das beginnt bei der Planung und Errichtung von Wohnhäusern, setzt sich bei der Nutzung, Modernisierung und Umnutzung fort und endet schließlich am Nutzungsende mit dem Abriss und der Entsorgung der verbauten Materialien. Gibt es Beispiele, die sich der Schaffung und Gestaltung von bezahlbarem Wohnraum widmen und dabei auch Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit im Blick haben? Ja, natürlich gibt es auch hier viele Beispiele, von denen ich wiederum nur eine kleine Auswahl darstellen kann.
Am Anfang des Bauens steht die Planung, zunächst in Form der öffentlichen Ausweisung von Baugebieten und der Festlegung von geforderten Standards für diese Gebiete, der sog. Bauleitplanung. Sie legt den Rahmen fest für die vorgesehenen Baumöglichkeiten fest, besteht aus Flächennutzungsplan und Bebauungsplan und wird von den Gemeinden vor dem Hintergrund des Bundesbaugesetzes in Eigenregie durchgeführt. Danach kommen die Architekten ins Spiel, die einzelne Bauwerke entwickeln, planen und den Bau bis zur Fertigstellung begleiten.
Um sowohl bei der Bauleitplanung als auch bei der Gebäudeplanung bereits Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, ist eine entsprechende Qualifizierung unerlässlich. Viele Hochschulen und Universitäten tragen dem Rechnung, indem sie spezielle Bachelor-und Masterstudiengänge anbieten, die nachhaltiges Bauen zum Inhalt haben. Die Plattform studycheck nennt für den deutschsprachigen Raum 21 derartige Studiengänge, so dass es für Interessenten vielfältige Möglichkeiten gibt, sich den passenden zu suchen.
Wer nachhaltig bauen will, muss aber nicht auf die künftige Generation entsprechend ausgebildeter Architekten warten. Im Umfeld der Fridays4future-Bewegung hat sich 2019 der Verein archticts4future gegründet, der inzwischen 50 örtliche Gruppen umfasst und zahlreiche Initiativen für nachhaltiges Bauen gestartet hat.
Hier ist nicht der Raum für detaillierte Ausführungen zum Inhalt nachhaltigen Bauens. Denn es gibt eine Fülle von nachhaltigkeitsbezogenen Maßnahmen und Strategien, die zunehmend Beachtung finden. Die wichtigsten davon möchte ich zumindest erwähnen und mit weeiterführenden links versehen:
Außer den Hinweisen auf Themen, Institutionen und Medien, die sich dieser Themen professionell annehmen, möchte ich wieder einige Beispiele von Firmen geben, die sich auf diesem Gebiet engagieren. Beginnen will ich mit einem Unternehmen, das auf diesem Gebiet gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erledigen will, indem es sowohl nachhaltige Gebäude errichten als auch einen Ausweg aus der Kostenfalle weisen und zur sozialen Vernetzung der Bewohner beitragen will. Dazu wurde die Ökosiedlung "Smart City" entwickelt und gebaut, die ein Vorzeigequartier sein will, um zu zeigen, wie die Stadt von morgen aussehen könnte: nachhaltig, energieeffizient und lebenswert.
Ganz im Sinne meiner These, dass die frühen Pioniere der Nachhaltigkeit, die als kleinere Unternehmen ihre DNA mit dem Thema Umwelt und Nachhaltigkeit geprägt haben, sei nun ein Unternehmen genannt, dass sich dieses Themas schon in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts angenommen hat, die Allgäuer Firma Baufritz. Entstanden aus einer Zimmerei, widmet sich das Unternehmen der ökologischen Holzbauweise und hat auf diesem Gebiet mit zahlreichen Innovationen immer wieder Anerkennung gefunden, u.a. als Träger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2009 und des Deutschen Umweltpreises 2023 der Bundesstiftung Umwelt.
Vielleicht ein wenig exotisch kommt die Idee des Drehhauses daher, eines Wohngebäudes, das sich auf einem Drehfundament stets mit der Sonne bewegt und so sowohl das Wohlbefinden der Bewohner als auch die Nachhaltigkeit fördert. Ebenfalls aus einem Zimmereibetrieb entstanden, entwickelte und baute die Fa. Rinn XI im hessischen Heuchelheim 1996/97 das erste Exemplar des Drehhauses. Weitere folgten. Durch die Steuerbarkeit der Ausrichtung zur Sonne wird sowohl der Energiebedarf der Drehhäuser minimiert als auch die Belichtung der Räume optimiert. Die runde Gebäudehülle schützt vor Windeinfluss und optimiert das Verhältnis zwischen Gebäudehülle und Grundfläche.
Ein weiteres Nachhaltigkeitsthema, das wegen der insgesamt zu geringen Fortschritte beim Klimaschutz und des weltweiten Verfehlens des Klimaziels von max. 1,5 Grad immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist das klimaangepasste Bauen und Wohnen. Weil Extremwetterereignisse deutlich zunehmen und sowohl Hitze als auch Starkregen häufiger und mit oft schwerwiegenden Folgen als früher zu beobachten sind, ist vor allem in Städten das Thema Resilienz, hier im Sinne der Widerständigkeit gegen Extremwetterlagen zunehmend wichtig. Ein Beispiel hierfür liefert das Baugebiet Herzkamp in meiner Heimatstadt Hannover. Im Rahmen eines Quartier-Neubaus in Hannover Bothfeld wurden insgesamt 20 Gesichtspunkte der Klimaanpassung berücksichtigt, z.B. die Planung von Kaltluftleitbahnen, ein Regenwasserkonzept, Schattenspender, Dachbegrünung, eine klimaangepasste Bauweise, die sowohl eine energiesparende Heizung als auch Kühlung beinhaltet, ein geruchsvermeidendes Unterflurkonzept für die Abfallbeseitigung usw. Mit Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt hat die ausführende hannoversche Baufirma Gundlach das Projekt als Mustervorhaben realisiert und wissenschaftlich begleiten lassen.
Wer sich ausführlicher kundig machen will, was alles beim Thema nachhaltiges Bauen und Wohnen aus der Tagesordnung steht und zu einem Gutteil bereits umgesetzt wird, dem möchte ich zu guter Letzt das Themenheft „Nachhaltig wohnen und bauen“ des Kulturportals schleswig-holstein.sh empfehlen, das zahlreiche aktuelle Beiträge enthält und auf der Homepage der Zeitschrift „Wohnungswirtschaft heute“ auch digital einsehbar ist. Experten des Bauwesens, die über meine laienhafte Zusammenstellung guter Beispiele und wichtiger Ansätze schmunzeln und selbst weitere zukunftsträchtigere Beispiele kennen, bitte ich um die Zusendung ihrer Hinweise und Quellangaben. Ich werde sie gern ergänzend in diesen Text aufnehmen.