Wohin mit all den Treibhausgasen?

 

 

   In der deutschen öffentlichen Debatte um das Nachhaltigkeitsthema drängen sich der Klimawandel und seine Bekämpfung in jüngerer Zeit weit nach vorn. Zwar gibt es immer noch politische Kräfte, die ihn beharrlich leugnen oder zumindest den menschlichen Anteil daran verharmlosen. Ca. 14% Mitbürgerinnen und Mitbürger stimmen ihnen zu: der Klimawandel sei nicht von Menschen verursacht oder werde sich irgendwie selbst auflösen Wissenschaft und seriöse Politik jedoch sind weitgehend einig, dass er mit hoher Priorität gestoppt oder mindestens erheblich verlangsamt werden muss. Kann das wirklich gelingen?

 

 

 

 

Die Tatsache, dass der Planet Erde eine Atmosphäre hat, die in ihrem unteren Bereich (Troposphäre) zwischen 7 und 17 km dick ist, gewährleistet, dass auf ihm überhaupt Leben möglich ist. Die kurzwellige Sonnenstrahlung kann auf die Erde gelangen und zusammen mit der pflanzlichen Fotosynthese Biomasse erzeugen. Zugleich wird die langwellige Wärmeabstrahlung der Erde durch die Atmosphäre gespeichert und damit eine lebensfreundliche Durchschnittstemperatur von ca. 15 Grad Celsius gesichert, die allerdings in den letzten 100 Jahren schon um mehr als 1 Grad angestiegen ist. Ohne den Treibhauseffekt der Atmosphäre könnten wir nicht auf der Erde leben: Die durchschnittliche Temperatur läge bei minus 18 Grad Celsius. Die Atmosphäre besteht zum größten Teil aus Stickstoff (ca. 78 %) und Sauerstoff (ca. 21%). Das verbleibende 1% ist überwiegend Argon (Ar) mit 0,93 %, dazu Aerosole und Spurengase wie eben CO2, mit derzeit 0,04%, Methan und Ozon.

  Das Klima wird von allen Teilsystemen der Erde bestimmt. Außer der Atmosphäre sind dies die Ozeane, Eisschilde und Gletscher, Seen, Flüsse, Böden und die Vegetation. Spätestens seit er die Erde maßgeblich nach seinen Interessen und Möglichkeiten gestaltet, ist der Mensch der wesentliche Beeinflusser des Klimas. Über Jahrtausende betrug der CO2 Gehalt der Atmosphäre zwischen 180 und 300 ppm.  Eine drastische Steigerung gibt es seit dem Beginn der sog. Industriellen Revolution. Seither ist die CO2-Konzentration um 48 % gestiegen und beträgt heute ca. 420 ppm. Die Anteile der verschiedenen Treibhausgase verteilen sich aktuell zu etwa 76% auf CO2, zu 15% auf Methan, 6% auf Lachgas und 2% auf Fluorverbindungen. Es sind also vor allem die Emissionen von CO2, Methan und Lachgas, die in den Blick genommen und reduziert werden müssen.

   Der weltweite Ausstoß von CO2 liegt derzeit (2022) bei ca. 36,6 Gigatonnen. Während der Corona-Pandemie war er gesunken, hat aber inzwischen das Niveau von 2019 wieder überschritten. Das liegt vor allem daran, dass für die Energieerzeugung 1 % mehr Kohle verbrannt wurde, während der Gasverbrauch nur um 0,2 % zurückging. Es liegt aber auch an der weltweiten Zunahme des Mineralölverbrauchs, vor allem bedingt durch den Anstieg des Flugverkehrs, der nach Corona wieder stark zugenommen hat. Nach Ländern haben sowohl Indien (um ca. 6%) als auch die USA (1,5%) ihre Emissionen gesteigert, während z.B. in der EU und China der Verbrauch um jeweils knapp 1% zurückging. Dabei bleibt China weltweit mit knapp 30% der mit deutlichem Abstand insgesamt größte CO2 Emittent, nicht zuletzt bedingt durch seine globalen Exporte von Produkten, deren Emissionen eigentlich den Ländern zugerechnet werden müssen, in denen sie konsumiert werden.

  Methan ist zwar nur mit einem Anteil von ca. 20% an der Emission von Treibhausgasen beteiligt, hat aber gegenüber CO2 ein erheblich höheres Erderwärmungspotential, denn es bleibt um viele Jahre länger in der Atmosphäre.  Methan-Emissionen entstehen insbesondere bei der Massentierhaltung von Rindern und anderen Wiederkäuern(zu ca. 65%), aber auch aus Leckagen der Gasnetze, da Erdgas überwiegend aus Methan besteht. Für die Landwirtschaft gibt es verschiedene Strategien zur Reduzierung der Methan-Emissionen: zum einen die Beschickung von Biogasanlagen durch Mist und Gülle, zum anderen der Einsatz von Kalkstickstoff als Güllezusatz bei deren Lagerung vor der Ausbringung auf die Felder.

  Lachgas ist nach Angaben des Umweltbundesamtes 300mal so klimawirksam wie CO2, was seinen relativ geringen mengenmäßigen Anteil an den Emissionen deutlich relativiert. Die wesentliche Quelle der Lachgasemissionen ist wiederum die Landwirtschaft, deren Anteil ca. 77% beträgt. Vor allem die Verwendung stickstoffhaltigen Düngers und die Tierhaltung sind hierfür maßgeblich. Insbesondere der Rückgang der Tierbestände in Ostdeutschland hat dazu beigetragen, dass Lachgasemissionen zumindest in Deutschland seit den 90er Jahren rückläufig sind und durch gezieltes Düngemanagement weiter reduziert werden kann. Die vom Umweltbundesamt ausgesprochene Langfrist-Empfehlung von 50 kg N/ha und Jahr wird allerdings bisher deutlich überschritten.

  Von großer Bedeutung sind auch die Veränderungen des globalen Klimasystems, die durch die bereits erfolgte Klimaerwärmung ohne weiteres menschliches Zutun stattfinden. Dennn hier kommen sog. Kipppunkte ins Spiel, bei deren Eintreten drastische Klimaveränderungen prognostiziert werden, die durch menschliches Zutun nicht mehr gestoppt werden können. Dies sind vor allem der Verlust des grönländischen sowie des westantarktischen Eisschilds, der Kollaps der Meereszirkulation im Labradormeer, der Verlust des arktischen Meereseises, das Auftauen der Permafrostböden in Nordostasien und Nordamerika und das Absterben der Korallenriffe in niedrigen Breiten, insbesondere vor Australien. Werden diese Kipppunkte überschritten, dann drohen der Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter, der starke Anstieg von Methanemissionen, kaum mehr beherrschbare Extremwetter-Ereignisse und die Gefährdung der Nahrungsgrundlagen für viele Menschen.

  Von den einschlägigen Klimawissenschaften wird bereits seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nachdrücklich gefordert, die Treibhausgasemissionen erheblich zu reduzieren. Ernst genommen werden diese Forderungen aber erst seit wenigen Jahren. Dabei scheint heute bereits sicher, dass sie durch die bisher realisierten und kurzfristig geplanten politischen Maßnahmen nicht mehr soweit erfüllbar sind, dass das in Paris vereinbarte Klimaziel der Begrenzung auf 1,5 Grad globale Erwärmung noch erreicht werden kann. Denn bisher wurden vor allem Ziele vereinbart, nicht aber konkrete Maßnahmen und feste Zielgrößen, deren Erreichung gemessen und damit überprüft werden kann. Zudem beträgt das weltweit verträgliche CO2 Restbudget, das eine Einhaltung des 1,5Grad-Ziels erreichen könnte, nach Berechnungen des IPCC (2018) 420 Gigatonnen bei einer jährlichen Emission von ca. 40 Gigatonnen.  Da derzeit die Emissionen weltweit eher steigen als sinken, verbleibt für den Rückbau ein Zeitraum von etwa 10 Jahren. Realistisch?

  Dabei gibt es natürliche sog. CO2-Senken, die in der Lage sind, emittierte Klimagase zu binden und der Atmosphäre zu entziehen. Die wichtigsten sind Wälder, Moore und Ozeane. Wenn sie dem menschlichen Zugriff entzogen bleiben bzw. werden, sind sie in der Lage, insbesondere CO2 in großem Maße aufzunehmen, wie sie es auf dem Erdball über Jahrmillionen getan haben und damit die fossilen Kohlenstoffvorräte, die wir heute maßlos nutzen, überhaupt erst gebildet haben.

  Daher gibt es vielfältige Bemühungen, diese natürlichen Absorptionsfähigkeiten zu sichern und auszubauen. So verwendet die Internetplattform ECOSIA ihre Überschüsse, um weltweit Baumpflanzungen zu finanzieren. Kompensationsagenturen setzen die von Fluggästen gezahlten Beträge ebenfalls für die Ertüchtigung von CO2-Senken ein. Nachdem z.B.in Deutschland 95% der ehemals existierenden Moore trockengelegt und für die wirtschaftliche Nutzunge verfügbar zu machen, gibt es nun Bemühungen, sie wieder zu nässen, um sie wieder als Senken zu nutzen. Die Fähigkeit der Meere, CO2 Emissionen zu binden, scheint trotz steigender Temperaturen noch immer recht stabil. Alle diese Bemühungen haben aber bisher mäßigen Erfolg, weil ihnen wirtschaftliche Interessen der Wald- und Moor-Nutzer entgegenstehen.

  Darüber hinaus setzen manche auf technische Instrumente wie vor allem die Verpressung von CO2 in tiefen Erdschichten.  Nicht nur die fossile Energiewirtschaft, sondern auch der deutsche Klimaschutzminister hält diese Technologie für sinnvoll und politisch förderungsfähig. Studien wecken jedoch Zweifel, da die Technologie teuer, risikoreich und im Ergebnis zweifelhaft sei. Zumal birgt sie die Gefahr, dass die Bemühungen zur Reduktion der CO2-Emissionen verringert werden, wenn verstärkt auf die vermeintlich sichere Speichermöglichkeit durch CCs gesetzt wird. Der Klimaforscher Elmar Krieger sagt dazu in einem Interview des National Geographic: „Bis 2050 kann man so maximal 100 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Zum Vergleich: Derzeit emittieren wir 40 Milliarden Tonnen jährlich. Die Technologien könnten bis 2050 also bestenfalls den Ausstoß von 2,5 Jahren kompensieren.“

  Tatsächlich sind also vor allem erhebliche Veränderungen des derzeitigen Wirtschafts- und Lebensstils erforderlich, um den Ausstoß von Klimagasen spürbar zu reduzieren und dauerhaft herunterzufahren. Denn unsere gesamte Lebens- und Wirtschaftsweise basiert auf der Nutzung fossiler Energiequellen und einer von Massenproduktion und Ernährungsindustrie geprägten Lebensmittelherstellung. Sowohl die Stromerzeugung als die Mobilität und das Essverhalten müssen daher nachdrücklich auf klimaverträgliche Weise gestaltet werden, wenn die deutliche Überschreitung des 1,5 Grad Ziels vermieden werden soll. Kein Wunder, dass vor allem große Teile der Wirtschaft, aber auch viele Menschen verweigern trotz der Einsicht, dass etwas getan werden muss, in wachsendem Umfang ihre direkte Mitwirkung verweigern. Man hat den Eindruck, die Mehrheit der deutschen Bevölkerung fürchtet sich eher vor „Klimaklebern“ und „Habecks Heizungshammer“ als vor dem Klimawandel. Auch wenn Klimaschutz wichtig ist, viele fühlen sich überfordert, wollen ihren Lebensstil möglichst bewahren, sehen eher den Staat und die Wirtschaft in der Pflicht. Die wiederum fürchtet die hohen Kosten und Umsatzeinbußen infolge steigender Anforderungen.

  Da offenbar die meisten Menschen und vor allem die Wirtschaft nur auf Preissignale reagiert, setzt die Politik vor allem auf die Strategie des Emissionshandels und der CO2-Bepreisung. Aber schon die geplante Erhöhung des derzeitigen Preises von 30 auf 40 € stößt auf Widerstand aus Wirtschaft und Gesellschaft, auch weil die Politik es bisher nicht schafft, diese Maßnahme sozial abzufedern durch die weitgehende Rückgabe des eingenommenen Geldes an Menschen mit geringen Fußabdruck und so klimafreundliches Handeln zu belohnen. Für mich ist zudem fraglich, ob die Bepreisung von Emissionen tatsächlich einen spürbaren und schnellen Beitrag zum Klimaschutz leisten wird. Denn mit dem Geld, das zu zahlen ist, wird wieder mal der Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben versucht und die Geldwirtschaft gestärkt.

  Dabei sind eigentlich alle frei, ihren Beitrag zum Klimaschutz aus eigenem Antrieb zu leisten, wenn sie ihn doch für so dringlich halten.Der Katalog der Möglichkeiten ist schier unendlich. Unternehmen können ihren Energieverbrauch reduzieren, sie müssen nicht wachsen, sie können auf zusätzliche Umsätze verzichten, ohne ihre Existenz zu gefährden. Auch die Bürgerinnen und Bürger: Weniger Energie verbrauchen, weniger Fleisch essen, weniger in ferne Länder fliegen. Das alles ist ohne wesentliche Einbußen an Lebensqualität machbar und schafft Freiräume für nicht-materielle Aktivitäten. Besser statt mehr. Das funktioniert!