Demonstrativ-Ökos

 

Der auf dem Bild dargestellte Mann ist vermutlich alles andere als ein „Öko“. Denn die stellen wir uns ja üblicherweise als Sandalen tragende, ihre Überzeugung sehr zu Markte tragende Anhänger der Umweltbewegung vor. Neuerdings aber kann man immer häufiger „neuen Ökos“ begegnen, die im übrigen Leben eher so aussehen wie der Smartie links ,sich aber auch dadurch auszeichnen, dass sie die staatliche Kaufprämie für hochpreisige Elektro-SUVs nutzen und die Dächer ihrer Anwesen mit Photovoltaik-Panels schmücken, damit alle sehen können, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Klimawandel zu stoppen. Was ist davon zu halten?

 

  Es war bereits im Jahre 1899, als der amerikanische Sozialwissenschaftler Thorstein Veblen in seinem Buch „Theorie der feinen Leute“ den Begriff des demonstrativen Konsums (conspicuous consumption) prägte, um damit ein Kaufverhalten zu charakterisieren, das vor allem darauf gerichtet ist, nach außen zu demonstrieren, dass man sich „was leisten kann“. Waren, auf die derartiges Verhalten gerichtet ist, werden nicht gekauft, wenn sie preisgünstig, sondern wenn sie erkennbar teuer sind und dann umso mehr. „Veblen-Effekt“ wird dieser Zusammenhang in der Ökonomie nach seinem Entdecker genannt.

  Ein solches Verhalten war schon 1899 nicht wirklich neu. Es läßt sich bis in die menschliche Frühgeschichte zurückverfolgen, wo zum Beispiel wohlhabende ägyptische Familien in Form prächtiger Grabbeigaben den Reichtum des Verblichenen demonstrativ zur Schau stellten. In fast allen Epochen war und ist der Konsum immer auch eine Zurschaustellung des eigenen Status.

  Nur wer gerade mal das Nötigste zum Leben hatte, ist vom Geltungskonsum ausgeschlossen, aber durchaus auch davon betroffen. Das geht soweit, dass heute arme Kinder in der Schule gehänselt werden, weil sie nicht die neusten chicen Sneakers tragen können oder mit billigen Schulranzen in die Schule kommen müssen. Nicht zuletzt durch kleine Markenkennzeichen tragen viele Hersteller ihren Teil dazu bei, ihre Produkte als besonders, sprich besonders teuer zu kennzeichnen. Nahezu alle Produkte transportieren damit auch etwas über den vermeintlichen sozialen Status ihrer Nutzer. Es ist fast schon unmöglich geworden, sich von diesem Demonstrationscharakter des Konsums abzutrennen, auch dann, wenn man selbst gar nichts damit am Hut haben will.

 Nun heißt es aber auch, dass die Konsumenten mit ihrem Konsumverhalten die Karten in der Hand haben, um die Wirtschaft zum Umsteuern in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen. Würden die Konsumenten kein Fleisch mehr kaufen, heißt es, dann gäbe es die ökologischen und anderen Probleme, die mit der Massentierhaltung zusammenhängen, in Bälde nicht mehr.  Kaufen die Konsumenten dagegen Elektroautos und Photovoltaik-Anlagen, dann kommt die Energiewende schneller als bisher voran und alles wird gut. Was soll man also dagegen sagen, wenn Menschen mit höherem Einkommen vorangehen und Öko-Produkte kaufen?

  Auch wenn es in Deutschland „nur“ etwa 1,5 Mio. Millionäre gibt, wenn die sich alle einen neuen Elektro-Porsche kaufen, würde sich damit die Zahl der E-Autos auf deutschen Straßen verdreifachen, jedenfalls wenn unter den derzeit knapp 500.000 E-PKWs in Deutschland nicht die meisten bereits von Millionären gefahren werden. Das Gleiche gilt für Photovoltaik-Anlagen auf Eigenheimen und für viele andere Öko-Produkte. Wie heißt es bei den Brüdern Grimm? „Hannemann, geh du voran! Du hast die größten Stiefel an, dass dich das Tier nicht beißen kann.“

  Wäre da nur nicht die andere Seite der Medaille. Denn wohlhabende Menschen können sich nicht nur teure „Öko“-Produkte leisten, sie können sich von allem etwas mehr leisten und sehr oft tun sie das auch, was ich ihnen gar nicht verübeln will. Aber darunter sind dann natürlich auch einige Produkte, mit deren Öko-Eigenschaften es nicht so weit her ist: Große Häuser, teure Fern- und Schiffsreisen, opulente Nahrungsmittel, deren Reste nicht für später aufgehoben werden, sondern in die Tonne wandern. Man kann also schon davon sprechen, dass wohlhabende Menschen oft „auf großem Fuß“ leben, weil sie es sich eben leisten können. Das aber führt in der Regel dazu, dass ihr ökologischer Fußabdruck oft wesentlich höher ist als der des Durchschnitts-Menschen in Deutschland, erst recht des Durchschnitts-Menschen auf der übrigen Welt. Ihr demonstrativer Öko-Konsum steht also in deutlichem Widerspruch zu ihrem übrigen Lebenswandel. Sie sind keine Ökos, sondern sie sind und bleiben Menschen mit einem deutlich größeren ökologischen Fußabdruck, als ihnen nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller zukommt.

  Und noch eine Kehrseite hat der demonstrative Öko-Konsum: Er weckt die Assoziation „öko = teuer“. Menschen mit Normal- oder Gering-Einkommen wird signalisiert, dass sie sich öko nicht leisten können. Für Elektro-Autos und PV-Anlagen mag das ja trotz staatlicher Prämien wirklich zutreffen, abgesehen davon, dass PV-Anlagen für Wohnungsmieter ohnehin kaum eine Option sind. Bio-Lebensmittel z.B. sind auch teurer als konventionell erzeugte. Und doch kann sie sich fast jeder Haushalt leisten, wenn er nur seine Koch- und Ess-Gewohnheiten ein wenig umstellt.

 Genau das ist es nämlich, was die Demonstrativ-Ökos normalerweise nicht tun: ihr Verhalten ändern, mit allem sparsamer umgehen, was uns die Natur zur Verfügung stellt und was daher begrenzt verfügbar ist, weil es nicht nachwächst oder weil die Fläche, auf der es nachwächst, begrenzt ist. Auch wenn uns Politiker aller Couleur gerade im Bundestags-Wahlkampf wieder vorgegaukelt haben, der Weg hin zur Nachhaltigkeit sei unter Beibehaltung all dessen machbar, was wir gewohnt sind, Wohlstand zu nennen.

 Das stimmt nicht. Insbesondere von uns Bewohnern der westlichen Hemisphäre wird eine neue Sparsamkeit abverlangt, wenn wir die Welt lebenswert erhalten und den übrigen Menschen einen zumindest halbwegs gleichberechtigten Zugang zu den Naturressourcen ermöglichen wollen. Dass das durchaus eine „Befreiung vom Überfluss“ und damit ein Mehr an Lebensqualität bedeuten kann, muss sich in den Köpfen und Herzen von uns allen erst noch durchsetzen, auch und erst recht in denen der Demonstrativ-Ökos.