Stellen Sie sich vor, der UN Weltfrauenrat sucht ein Land, in dem die nächste Weltfrauenkonferenz stattfinden soll und die Wahl fällt auf den Iran. Absurd?
Nicht wirklich: Die aktuelle 28. Klimakonferenz der UN fand in Dubai statt, der Hauptstadt der Arabischen Emirate, also in einem der Zentren der Weltölwirtschaft.
Seit nunmehr über 30 Jahren treffen sich an verschiedenen Plätzen der Welt im jährlichen Rhythmus Delegierte aus immer mehr Ländern, um über die Erderwärmung, Klimaschutz und -anpassung zu beraten und zu beschließen. Nach einigen Vorläuferkonferenzen wurde 1992 auf der Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro die globale Klimarahmenkonvention verabschiedet, die seither den Rahmen bildet für die Vertragsstaatenkonferenzen der Konvention.
Die Rio-Konferenz und einige nach ihr waren noch von einer gewissen Aufbruchsstimmung geprägt, die sich u.a. im sog. Kyoto-Protokoll (1995) äußert, in dem völkerrechtlich verbindliche Emissionsziele für den Ausstoß von Treibhausgasen vereinbart wurden. Die darin vereinbarten Ziele wurden sogar tatsächlich erreicht.
Einige weitere Konferenzen traten dann schon eher auf der Stelle bzw. formulierten Ziele, die von den Vertragsstaaten nicht mehr wirklich als verpflichtend angesehen wurden. Z.B. auf der 2009er Konferenz in Kopenhagen konnte man sich nicht einmal auf eine verbindliche Fortschreibung der Kyoto-Vereinbarung einigen und brachte nur ein unverbindliches Protokoll zustande. 2012 fand die Konferenz dann erstmals im Zentrum der Ölwirtschaft statt, in Katar, wo der CO2-Ausstoß pro Kopf im Weltmaßstab am höchsten ist. Man verabredete, in 2020 endlich einen verbindlichen Klimavertrag abschließen zu wollen. Dazu kam es jedoch nicht.
Erst das Klimaabkommen von Paris (2015) enthält erneut eine ambitionierte Zielsetzung, nämlich die Erderwärmung durch Klimaschutzmaßnahmen auf möglichst nicht mehr als unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, um die Bewohnbarkeit der Erde zu sichern und schwerwiegende Schädigungen zu vermeiden.
Außer der Konferenz von Marrakesch(2016), auf der Fortschritte für besonders betroffene Drittweltländer erzielt wurden, sind weitere Klimakonferenzen weniger durch inhaltliche Fortschritte oder verbindliche Beschlüsse aufgefallen, sondern eher dadurch, dass immer mehr Delegierte immer heftiger gestritten haben und wirtschaftliche Interessen immer stärker in den Vordergrund getreten sind.
Und nun sind die Vereinigten Arabischen Emirate Gastgeber (COP 28). Es treffen sich über 70.000 Delegierte aus 197 Ländern, von denen keiner mit dem Segelboot anreist und im Zelt übernachtet. Den Vorsitz der Konferenz hat der Industrieminister der Emirate Ahmed al-Dschaber, in Personalunion Chef eines der größten Ölkonzerne der Welt. Er landete gleich am ersten Tag einen PR-Coup: Zusammen mit Deutschland sagten die Emirate 200 Millionen US-Dollar für den Ausgleich von Klimaschäden in besonders betroffenen Staaten zu. Jedes Land jeweils 100 Millionen Dollar. Damit fließt erstmals Geld in den im vergangenen Jahr auf der UN-Klimakonferenz in Ägypten beschlossenen Fonds.
200 Millionen? Portokasse! Das reicht nicht einmal für die Umsiedlung der Bewohner einer Südseeinsel, die vom Anstieg des Meeresspiegels betroffen ist. Wie denn für den Ausgleich der Hitze- und Dürreschäden oder der Überflutungen, wie es sie dieses Jahr in Libyen gab, bei denen außer dem Klima allerdings auch Misswirtschaft und Korruption beteiligt waren? Dem entsprechend enttäuscht bis empört reagierten die Vertreter der südpazifischen Inselstaaten. Schließlich fanden sich noch ein paar mehr Geldgeber, so dass immerhin knapp 800 Mio. $ zugesagt wurden.
Ein Auftrag der vorherigen COP 27 Konferenz wurde erfüllt: Die dort beschlossene Bestandsaufnahme zur Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015, auf der das „unter 2%“ Ziel festgeschrieben worden war. Das Ergebnis ist allerdings nicht sehr ermutigend: „Werden alle derzeit vorliegenden Selbstverpflichtungen der Staaten umgesetzt, steuert die Menschheit auf einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von 2,1 bis 2,8 Grad zu.“ Wenn sie denn wirklich umgesetzt werden. Aber auch hier wieder ein Immerhin. Vor Paris waren noch Szenarien von bis zu 4 Grad Erderwärmung in der Welt.
Mit der obligatorischen zeitlichen Verlängerung der Konferenz kam in Dubai schließlich doch ein einvernehmlicher Beschluss zustande, der bei den meisten Teilnehmenden auf zurückhaltend positive Resonanz stieß. Statt des vorab von Klimaexperten dringend geforderten „Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen“ (phase out) einigte man sich auf „Abkehr von fossilen Energien“ ohne weitere Spezifizierung und auf freiwilliger Grundlage. Aber der Ausbau der Erneuerbaren soll bis 2030 verdreifacht werden, die Energieeffizienz verdoppelt. Kein Wort über Energieeinsparungen, wo doch Effizienzgewinne in der Praxis regelmäßig vom Rebound-Effekt konterkariert werden. Daneben wird die nachträgliche Eliminierung von CO2 aus der Atmosphäre z.B. durch Verpressung in tiefen Gesteinsschichten als Option zugelassen, die allerdings durchaus als Bremse für den Ausstieg gesehen werden kann. Auch die nukleare Energiegewinnung stößt als „klimaneutrale“ Technologie auf breite Zustimmung.
Die Politik feierte sich: UN-Generalsekretär António Guterres hob Fortschritte hervor, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte die Ergebnisse „Beginn des postfossilen Zeitalters“, der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock fiel ein "riesiger Stein vom Herzen". Etwas zurückhaltender die Resonanz der Umweltverbände. Das Schlussdokument markiere den Anfang vom Ende der Öl-, Gas- und Kohleindustrie - "nicht mehr, auch nicht weniger", so Greenpeace. WWF Deutschland erkennt ein "immens wichtiges Signal - auch gegen die Erschließung neuer Öl- und Gasquellen". Für die deutschen Fridays for Future ist die globale Abkehr von fossilen Energien angesichts des Widerstands der fossilen Wirtschaft ein großer Schritt. Allerdings würden offensichtlich die Profite der Ölfirmen wieder einmal erfolgreicher beschützt als die am meisten betroffenen Regionen der Welt.
Dem deutschen Finanzminister Christian Lindner wird die Aussage zugeschrieben, die jugendlichen Klimaschützer sollten statt zu demonstrieren den Klimaschutz besser den Profis überlassen. Das immerhin hat die COP28 Organisation besser hinbekommen: Weil öffentliche Proteste in den Emiraten verboten sind und mit hohen Geldstrafen geahndet werden, wurde eine UN administrierte blaue Zone auf dem Konferenzgelände geschaffen, in der angemeldete und genehmigte Demonstrationen stattfinden durften, nach festem Zeitplan und weitgehend ohne Öffentlichkeit, versteht sich.
Ein weiteres Ereignis von Dubai soll nicht verschwiegen werden: Der von Bundeskanzler Olaf Scholz initiierte „Klimaclub“ der G7, der inzwischen auf 38 Mitgliedsstaaten angewachsen ist, nahm seine Arbeit auf. In diesem Verein wollen die ökologisch besonders ambitionierten Staaten zusammenarbeiten, ihre Industrien dekarbonisieren und Wachstum und Emissionen voneinander entkoppeln. Hierzu sollen gegenseitige Übereinkommen zur steuerlichen und Zoll-Begünstigung grüner Produktion getroffen werden. Z.B. sollen Stahl- und Zement-Herstellung auf Basis grünen Stroms und Wasserstoffs entwickelt werden.
Einmal abgesehen davon, dass natürlich damit die heilige Kuh des Wachstums weiterhin nicht infrage gestellt wird, scheint mir eine solche Initiative politisch durchaus sinnvoll. Wenn ambitionierte Staaten sich von den notorischen Bremsern nicht länger an der Nase herumführen lassen wollen, müssen sie von sich aus zeigen, dass die grüne Transformation möglich ist und müssen vorangehen. Dazu gehört auch die fiskalische Abwehr „schmutziger“ Industrien und Produkte. Haben sie Erfolg, dann werden es die Bremser schwer haben.
Insgesamt muss man wohl sagen, dass auch und gerade im internationalen Bemühen um eine nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise dicke Bretter zu bohren sind. Wer mit fossilen Energieträgern, anderen fossilen Ressourcen oder weiteren nicht nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten reich geworden und zu bleiben gewillt ist, dessen Bereitschaft zur Abkehr ist verständlicherweise begrenzt, gleichgültig ob in in Dubai, Riad oder Houston/Texas. Es wird nur gegen diese Beharrungskräfte möglich sein, die Transformation zur nachhaltigen Entwicklung zum Erfolg zu führen.