Habecks Heizungshämmerchen

  Es gibt Zeiten und Themen, da gackern die Boulevard-Medien und Teile der Politik im Gleicklang und kommen aus populistischer Schelte für ambitionierte Umweltpolitik gar nicht mehr heraus. Das hat Tradition, aber seit das von einem grünen Minister geführte Berliner Wirtschafts- und Klimaschutz-Ministerium vor einigen Wochen den Entwurf eines neuen Gebäudeenergiegesetzes  formuliert und das Bundeskabinett den Text verabschiedet hat, ist es wieder einmal soweit. Die Kommentatoren überbieten sich, den Entwurf als Angriff auf die Freiheit, auf unseren Lebensstil und Geldbeutel, vor allem den der armen Rentner, zu brandmarken. Was sonst schon mal der AFD überlassen bleibt, wird nun fast unsisono von BILD und Co., CSU und CDU genüsslich getrieben. Sogar von der kleinsten Regierungspartei gibt es Querschüsse, die vermuten lassen, die FDP sei bei dem entsprechenden Kabinettsbeschluss nicht dabei gewesen. Das gibt mir Anlass, meine Einschätzung beizusteuern.

  Privathaushalte emittierten in Deutschland 2020 etwa 124 Mio. to CO2, vor allem für Heizung und Warmwasser. Hinzu kommen indirekte Emissionen im Umfang von für die Stromerzeugung und die Fernwärmebereitstellung im Umfang von etwa 75 Mio. to.  Verglichen mit den Emissionen der Energiewirtschaft und der Industrie (ca. 400 Mio. to.) ist das zwar relativ wenig. Während aber der Umfang der den Haushalten zuzurechnenden indirekten Haushalts-Emissionen seit 2005 immerhin um gut 25% zurückging, reduzierten sich die direkten Emissionen im gleichen Zeitraum nur um 1,5%. Das zeigt, dass es sich bei den Gebäudeheizungen um ein Handlungsfeld handelt, das bisher sträflich vernachlässigt wurde. Denn sie sind es, die einschl. Warmwasser mit 85% zu den Emissionen beitragen. Will Deutschland bis 2045 klimaneutral werden (wie es das geltende Klimaschutzgesetz fordert), dann muss hier gehandelt werden, und zwar zügig.

  Das gilt einerseits aus ökologischen Gründen. Denn der weitaus größte Teil der deutschen Gebäudeheizungen wird mit Öl und Gas betrieben, deren Verbrennung CO2-Emissionen verursacht. Es gilt aber auch aus ökonomischen Gründen. Insbesondere die Energiepreissteigerungen im Gefolge des russischen Angriffs auf die Ukraine haben gezeigt, dass mit der Nutzung fossiler Brennstoffe, die Deutschland fast vollständig importieren muss, erhebliche finanzielle Belastungen auch für die privaten Haushalte verbunden sind und künftig sein werden. Die ARD zitiert den Geschäftsführer Energie bei Check24 mit der Aussage "Die Energiekosten steigen seit 2020 stetig und sind seit Ende 2021 regelrecht explodiert".  Nach den Berechnungen stiegen die jährlichen Energiekosten für einen Musterhaushalt im März 2022 auf durchschnittlich 7292 Euro. Das sind 80 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, darin eingeschlossen neben denn Heizkosten allerdings auch Strom und Benzin. Abgefedert wurde diese Kostenexplosion bekanntermaßen durch diverse Staatszuschüsse und aktuell sind die Marktpreise für Gas und Heizöl auch wieder spürbar gesunken. Dennoch werden sie hoch bleiben und z.B. durch die Steigerung der CO2-Preise auch weiter steigen.

  Wer neu baut oder seine alte Heizung ersetzen will oder muss, tut also in jedem Falle gut daran, auch wenn ihr/ihm ökologische Gesichtspunkte gleichgültig sind, sich nach Alternativen zu fossilen Energieträgern umzuschauen. Neben dem Austausch der Heizung sind es natürlich der Zustand der Gebäudehülle und die gewünschte Raumtemperatur, die den Energieverbrauch eines Gebäudes bestimmen. Während die zusätzliche Dämmung wie der Austausch der Heizung finanzielle Investitionen erfordern, ist die Reduzierung der Raumtemperatur kostenlos zu haben, für manche jedoch mit unerwünschten Wohlfühleinbußen verbunden. Was also tun?

  Der Entwurf des Heizungsgesetzes stellt auf die technische Umstellung der Heizung ab und fordert von den Hauseigentümern, die nach dem 1.1.2024 eine neue Heizung einbauen wollen oder müssen, weil die alte nicht mehr reparabel ist, eine technische Lösung zu wählen, die mindestens zu 65% mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Dies sind etwa: „Anschluss an ein Wärmenetz, elektrische Wärmepumpe, Stromdirektheizung, Hybridheizung (Kombination aus Erneuerbaren-Heizung und Gas- oder Ölkessel), Heizung auf der Basis von Solarthermie. „H2-Ready“-Gasheizungen, also Heizungen, die auf 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar sind. Für bestehende Gebäude sind weitere Optionen vorgesehen: Biomasseheizung, Gasheizung, die nachweislich erneuerbare Gase nutzt – mindestens zu 65 Prozent Biomethan, biogenes Flüssiggas oder Wasserstoff.“

  Der relativ preisgünstige Anschluss an ein Fernwärmenetz stellt aktuell nur für wenige Großstädte eine realistische Alternative dar, weil Netze nur in wenigen Großstädten verfügbar sind und auch dort keineswegs flächendeckend. Zudem ist Fernwärme nur dann eine „erneuerbare“ Alternative, wenn sie wirklich mit „grünen“ Energien erzeugt wird. Mit H2-Ready-Gasheizungen nimmt der Entwurf eine Wette auf die Zukunft vor, denn grüner Wasserstoff ist auf absehbare Zeit nichts als Science Fiction. . Ob Holzpellet-Heizungen wirklich eine ökologische Lösung darstellen, ist umstritten.  Bei der Nutzung von Biogas kommt das Problem der Flächenkonkurrenz zwischen Lebensmittel- und Energiepflanzen-Anbau ins Spiel. Hier enthält das Gesetz also Lösungen, die nur in begrenztem Umfang das Prädikat „nachhaltig“ verdienen. Zudem ist der geforderte 65% Anteil grüner Energien für mich als technischen Laien nicht recht nachvollziehbar. Der angestrebte Zielwert müsste doch eher 100% lauten.

  Bleiben Wärmepumpen, auf die sich die aufgeregte politische Diskussion derzeit vor allem kapriziert. Sie sind Strom-Heizungen, die nur dann grün sind, wenn der Strom mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Der deutsche Strommix erfüllt diese Bedingung derzeit nicht, da nur etwa 50% aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Da wäre der Wechsel zu einem 100% grünen Stromanbieter notwendig. Im Einfamilienhaus könnte eine Wärmepumpe mit selbsterzeugtem Ökostrom betrieben werden. Im Bestand (mit fossiler Heizung) könnte mit einer zusätzlich installierten Wärmepumpe ein erster Schritt in die Zukunft gemacht werden, der den Verbrauch fossiler Brennstoffe schon einmal erheblich reduziert.

  Dann aber sind da natürlich die Kosten. Beim Neueinbau einer Wärmepumpe sind derzeit die Investitionskosten deutlich höher als etwa bei Gasheizungen. Sie betragen je nach Art und Größe zwischen 12.000 und 25.000 €.  Es kann auch leicht noch teurer werden, etwa wenn Erdwärmepumpen statt Luftwärmepumpen auf Grund des Wärmebedarfs notwendig sind. Allerdings entscheiden sich bereits heute ohne jede Vorschrift seitens des Staates die Erbauer neuer Häuser zu 57% für Wärmepumpenheizungen. 2015 hatte der Anteil noch bei gut 31 % gelegen.  Vorauseilender Gehorsam oder vernünftige Planung?

  Hinsichtlich der laufenden Kosten wird der Umstieg auf Wärmepumpen so lange kaum preisgünstiger als der Betrieb fossiler Heizungen. Zwar ist Ökostrom für sich genommen heute schon deutlich billiger als fossiler Strom Aber einen separaten Strompreis für Ökostrom gibt es in Deutschland nicht. Auch Ökostrom-Anbieter sind an die Marktpreise gebunden, die nach dem Merit-Order-Prinzip vom teuersten Kraftwerk bestimmt werden.

  Im Heizungsgesetz-Entwurf sind staatliche Hilfen für diejenigen vorgesehen, die die höheren Investitionskosten für eine neue Heizung nicht tragen können. Es sind sowohl eine Zuschussförderung als auch vergünstigte Kredite. Einzelheiten sind noch offen und müssen wie üblich im parlamentarischen Verfahren entschieden werden. Denn die Regierung legt wie immer nur einen Entwurf vor, den endgültigen Text des Gesetzes bestimmt der Gesetzgeber, das Parlament.

  Die jüngste vermeintliche Einigung zwischen den Koalitionären hinsichtlich der Flexibilisierung des Starttermins zwischen 2024 und 2028 ist zwar erneut eine Aufweichung des Anspruchs auf eine schnelle Wärmewende. Sie stellt aber für mich eine sinnvolle Ergänzung des Gesetzes dar. Denn ohne existierende kommunale Wärmeplanung und damit einen vollständigen Überblick über die verfügbaren Alternativen der möglichen Wärmeversorgung ist jeder Hauseigentümer überfordert, die für ihn richtige Wahl zu treffen.

  Tatsächlich bleibt der Gesetzentwurf hinsichtlich der darin formulierten Nachhaltigkeits-Ansprüche insgesamt aber erkennbar hinter dem zurück, was man im Hinblick auf das Klimaneutralitätsziel hätte erwarten können. Das ist eher ein Hämmerchen, aber kein Hammer, jedenfalls nicht in Richtung Klimaschutz. Es trägt die Handschrift eines Kompromisses zwischen Nachhaltigkeits-Ansprüchen und politischen Rücksichten. Lässt man die Luft aus der aktuellen Debatte, dann bleibt von all der Aufregung kaum etwas übrig. „Much ado about nothing” so hat es William Shakespeare 1598 schon formuliert. Ob er dabei die deutsche Politik- und Medien-Szene von 2023 im Blick hatte?