Trump ist weg - denkste!

 

Er behauptete zwar Wochen nach der Stimmauszählung immer noch, die Wahl sei ihm gestohlen worden, aber nach einigen Wochen gestanden auch führende Republikaner ein, dass ihr Präsidentschaftskandidat die Wahl ganz regulär verloren hat und im Januar 2021 von Joe Biden abgelöst wird, wie inzwischen auch durch die Stimmabgabe der Wahlpersonen bestätigt wurde. Als Präsident der USA wird er dann weg sein. Aber viele Millionen US Amerikaner haben ihn gewählt und glauben zu großen Teilen immer noch, die Wahlen seien irregulär verlaufen. Daher wird Trump auch künftig eine Rolle in der Politik der USA spielen. Welche, wird sich erweisen und auch davon abhängen, ob und wie es der neue Präsident schafft, die gespaltene Gesellschaft der Vereinigten Staaten zu versöhnen und tiefgreifende politische Feindschaften zu beenden. Allerdings verkörpert der abgewählte Präsident eine Geisteshaltung, die nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt zunehmend Verbreitung findet, verbohrten narzisstischen Egoismus, von einzelnen Menschen, Menschengruppen und ganzen Staaten. Ich bin kein (Sozial)Psychologe, möchte aber meine Gedanken dazu hier einmal äußern, weil ich finde, dass diese in Trump zum Exzess gesteigerte Haltung auch unser Bemühen um eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit massiv ausbremst.

 

   Als Donald Trump 2017 als Präsident der USA vereidigt worden war und in seiner denkwürdigen Rede vor dem Kapitol das Motto seiner Amtszeit „America first“ vorstellte, wurde das von den politischen Kommentatoren zwar als ungewohnte und für die USA bisher untypische Abwendung vom langgewohnten Multilateralismus wahrgenommen, aber noch ernsthaft zur Kenntnis genommen und diskutiert. Spätestens mit seiner eindeutig falschen Behauptung, an der Demonstration zu seiner Amtseinführung hätten erheblich mehr Menschen teilgenommen als bei der Amtseinführung seines Vorgängers Obama, wurde jedoch klar, dass es sich bei ihm um einen ganz besonderen US-Präsidenten handelt. Er betonte zwar stets das Interesse des amerikanischen Volkes (besser des weißen Teils dieses Volkes) als das vorrangige Ziel seines Handelns, tatsächlich aber war er angetreten, um vor allem sein persönliches Ego zu pflegen und seine Geschäftsinteressen zu fördern. Davon sollte er während seiner gesamten Amtszeit nicht abrücken. Was ihm und seiner weiteren politischen Karriere zu nützen versprach, verfolgte er ohne Einschränkungen. Wer dem widersprach oder im Wege stand, wurde gefeuert oder ihr/ihm wurde Schaden zugefügt, soweit es irgend ging.

    Das Muster seines politischen Handelns war der Deal. Was im Geschäftsleben durchaus viele praktizieren, nämlich zu fragen, was ihnen nützt und das eigene Handeln ausschließlich daran auszurichten, das praktizierte dieser Präsident auch als politisches Handlungsmuster, als Maxime seiner Politik. Dieses Muster äußerte sich auch darin, dass er vielfach präsidiale Entscheidungen traf, die vor allem dem Geschäftsinteresse seines – interimistisch von seinen Söhnen geführten – Geschäftsimperiums diente.

    Überlagert aber wurden seine Äußerungen und Handlungen davon, ob sie ihm als Person guttaten oder nicht: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Wer nicht meiner Meinung ist, produziert Fake News. Den Klimawandel gibt es nicht, und wenn doch, ist er nicht menschengemacht. Das Coronavirus ist harmlos, kann mit Desinfektionsmittel bekämpft werden und ich habe es ansonsten voll im Griff. Und wenn mich die Welt nicht mag, dann gehe ich eben Golf spielen, da gewinne ich immer, wenn auch manchmal mit Schummeln, es ist schließlich mein Golfplatz, auf dem ich die Regeln bestimme. Widerspruch wird bestraft. Auch alte Parteigänger sind solange wohlgelitten, wie sie zustimmen, aber auch nur genau solange, danach werden sie gefeuert.

    Psychologen deuten dies als „narzisstische Persönlichkeitsstörung“. Eine solche Störung wurde auch bei Trump diagnostiziert, ohne dass er sich dafür hätte in ärztliche Behandlung begeben müssen. Aber ist es wirklich eine Störung? Oder ist es nicht vielmehr nur dann eine Störung, wenn das Ego im übermäßigen Umfang das Denken und Handeln von Menschen bestimmt? Wo beginnt das Übermaß und wie lange gilt es noch als „normal“, sich selbst zum alleinigen Maßstab aller Dinge zu machen?

   Ich kann und will hier keine fachwissenschaftliche Diskussion führen. Dazu fehlt mir die Kompetenz. Was ich aber schon meine, vielfach beobachten und belegen zu können, ist die Tatsache, dass sich eine immer noch wachsende Zahl von Menschen am gleichen oder zumindest sehr ähnlichen Denk- und Handlungsmuster orientiert: Ich zuerst, nach mir die Sintflut. Die ökonomische Wissenschaft hat dieses Muster in eine Idealfigur gefasst, den sogenannten homo oeconomicus, auf deutsch dem Wirtschaftsmenschen. Von dem wird allerdings angenommen, er sei vernunftbegabt, er handle allein aus rationalen Überlegungen ausschließlich ichbezogen. Zudem sei er in der Lage, die zukünftigen Folgen seines Tuns vollständig zu überschauen und abzuwägen, welche Handlung ihm den größtmöglichen Nutzen stiften werde. Beides trifft auf Trump erkennbar nicht zu.

   Zumindest die Unterstellung vollständiger Voraussicht und Rationalität wird inzwischen auch beim homo oeconomicus kaum noch vorgenommen, außer vielleicht in älteren Lehrbüchern. Sie ist ja auch wirklich total daneben. Nun aber ist feststellbar, dass sich zwar die moderne ökonomische Theorie zunehmend vom homo oeconomicus verabschiedet. In der Realität aber hat sich eine wachsende Zahl von Menschen genau dieses Muster zu eigen gemacht und richtet daran ihr reales Handeln aus (siehe hierzu mein Buch „Des Menschen Wolf“, vor allem S. 21-24). Immer mehr von uns lebendigen Menschen wählen sich die Kunstfigur des homo oeconomicus zum Vorbild, oft ohne sie überhaupt zu kennen, vor allem im Wirtschaftsleben, einfach weil die Logik des marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems ihnen ein solches Handeln nahelegt, indem sie es mit finanziellen Vorteilen belohnt. Der Narzisst Donald Trump ist lediglich das Zerrbild dieser Figur und dieses Handlungsmusters, eine vielleicht krankhafte Variante, aber eben nur eine Variante. Und eine Variante, die ihr Handeln aus dem Bauch heraus bestimmt, nicht als Resultat vernünftigen Nachdenkens und Abwägens und kluger Voraussicht.

    Solidarität, Empathie, Rücksicht auf die Belange anderer, der Gesellschaft als Ganzer oder der umgebenden Natur, das sind Fremdworte für derartiges ichbezogenes Denken. Und das macht sich breit, nicht nur in der kapitalistischen Wirtschaft, sondern auch im alltäglichen Handeln: Ich möchte so schnell fahren, wie es eben geht, bremsen können ja die andern. Ich muss hier gerade mal mein Auto parken, sollen die anderen doch sehen, wie sie vorbeikommen. Ich will keine Gesichtsmaske gegen die Covid-19-Infektion tragen, denn eigentlich gibt es das Virus ja gar nicht. Auf mein tägliches Stück Fleisch werde ich nicht verzichten und wenn ich eine Kreuzfahrt machen will, dann mache ich das auch, egal was die Ökos dagegen haben. …

    Es ist zweifellos nützlich, wenn Menschen über ein gesundes Selbstvertrauen verfügen und in der Lage sind, für ihre Belange einzutreten. Weil wir aber nicht allein sind auf der Welt, müssen wir Grenzen unserer persönlichen Freiheit akzeptieren, die dort beginnen, wo wir anderen Schaden zufügen würden, wenn wir uns allein nach unserem Gutdünken richten. Der Philosoph Immanuel Kant hat das in seinem kategorischen Imperativ so ausgedrückt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Oder vereinfacht ausgedrückt, aber mit ähnlicher Bedeutung: „Was du nicht willst, dass man die tu, das füg auch keinem andern zu.“

 Jede und jeder kann heute wissen, dass das Einhalten der AHA-Regeln dazu verhilft, das Corona-Virus zurückzudrängen, zum Nutzen von uns allen, auch von jedem selbst. Donald Trump und die vielen fleischgewordenen Wirtschaftsmenschen kümmert das offenbar nicht. Erst wenn wir alle uns klarmachen, dass nur das Einhalten von Grenzen auch uns selbst ein gutes Leben ermöglicht, und wenn wir auch tatsächlich danach handeln, ist eine nachhaltige Entwicklung möglich und Donald Trump nicht nur als US-Präsident wirklich Geschichte.