Noch mal anders: Corona und Nachhaltigkeit

 

 

In einigen anderen Artikeln habe ich bereits den Zusammenhang zwischen der aktuellen Pandemie, die uns in eine längere Homeoffice-Quarantäne befördert hat, und der Nachhaltigkeit bzw. Nicht-Nachhaltigkeit unseres bisherigen Lebens und Wirtschaftens behandelt. Jetzt möchte ich einen weiteren Aspekt ansprechen, nämlich die Frage nach den von Menschen ausgehenden Ursachen des Überspringens von Krankheitserregern wie dem Sars-CoV-2-Virus von Tieren auf Menschen bzw. der daraus folgenden Pandemie.

 

 

 

Der wahre Ursprung von Corona ist bisher unbekannt. Er wird wahrscheinlich sogar auf Dauer unbekannt bleiben, denn das chinesische Regime tut sich schwer damit, seiner Bevölkerung und der übrigen Welt Wahrheiten kundzutun. Das Virus sei auf einem Wildtiermarkt in Wuhan auf den Menschen übergegangen, vielleicht mit einem tierischen Zwischenwirt, sagt Xi Jinping. Es sei wegen schlampiger Sicherheitsvorkehrungen aus einem Forschungslabor in Wuhan entsprungen, in dem seit Längerem Zoonoseforschung (also Forschung zum Übergang von Krankheiten von Tieren auf Menschen) betrieben werde, sagen andere. Und es gibt viele weitere zum großen Teil abenteuerliche Theorien.

Dass Viren von Wildtieren in großer Zahl beherbergt werden, ist lange bekannt. Es wurde außer für das aktuelle Sars-CoV-2 z.B. für das frühere Sars-Virus nachgewiesen, für Ebola, das Nipah-Virus und das Marburg-Virus. Dies sind sämtlich Viren, die den ursprünglichen Wirtstieren keinerlei Schaden zufügen, aber beim Übergang auf den Menschen erhebliche Gesundheitsschäden verursachen. Wie aber erklärt sich, dass dieses Phänomen sich in der jüngeren Zeit deutlich häuft?

Nun, die Forschung weist seit Längerem darauf hin, dass wir Menschen nicht erst seit gestern uns in immer größerem Umfang daran gemacht haben, die Erde nach unserem Anspruch und Interesse zu gestalten. Das aktuelle Zeitalter wird daher von Geologen auch als Anthropozän bezeichnet, als neue Epoche der Erdgeschichte, die frühere Epochen abgelöst hat. Menschliche Aktivitäten beeinflussen in immer stärkerem Umfang das Klima, tierische und pflanzliche Artenvielfalt, territorialen Arten-Verbreitung (z.B. chinesische Wollhandkrabbe in der Nordsee), die Degradation der Böden, die Beschaffenheit der Meere, um nur einige Beispiele anzuführen.

 Dieser Zugriff auf die Natur aber ist nicht nachhaltig. Er beschädigt die natürlichen Ökosysteme und bringt ihre Funktionsmechanismen durcheinander. „Natürliche“ Natur gibt es immer weniger. Durch die Zerstörung ihrer ursprünglichen Lebensräume droht zahlreichen Arten die Ausrottung. Den verbleibenden Arten bleibt nichts anderes übrig, als sich in die Nähe der ständig mehr Fläche beanspruchenden menschlichen Siedlungen zu begeben. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie in engen Kontakt mit Menschen kommen, und damit die Chance für Mikroorganismen, die sie in sich tragen, in unsere Körper zu gelangen, wo sie als tödliche Krankheitserreger wirken können.

 So wird z.B. aus einer 2017 durchgeführten Untersuchung berichtet, dass Viruskrankheiten häufiger in solchen Gebieten vorkamen, in denen kurz zuvor Wälder in großem Stil gerodet worden waren. Auch eine Untersuchung von Fledermäusen und Nagetieren in Panama konnte nachweisen, dass Umweltzerstörung die Infektionswahrscheinlichkeit von Wildtieren mit potenziell auch Menschen gefährdenden Krankheiten fördert. In stark gestörten Ökosystemen mit geringer Biodiversität wird eine Epidemie wahrscheinlicher – und damit auch eine Mutation, durch die irgendwann mal plötzlich die Artgrenze überschritten wird.

 Man wird wahrscheinlich nie stichhaltig beweisen können, dass auch Sars-CoV-2 auf genau diesem Wege auf den Menschen übergesprungen ist. Die deutliche Häufung derartiger Ereignisse aber lässt dies als sehr wahrscheinlich erscheinen. Hinzu kommt, dass die chinesischen Industriezentren, wo das Virus seinen Ausgang nahm, sehr smogbelastet sind, was die Verbreitung des Virus erheblich fördert. Die kaum mehr begrenzte Globalisierung mit einer fast grenzenlosen Reisetätigkeit der Menschen tut ihr Übriges. Die Corona-Pandemie ist also kein Tsunami, sondern wie der Klimawandel eine unter vielen Facetten des Antropozäns mit seinem ungezügelten, zerstörerischen Zugriff des Menschen auf die natürlichen Ökosysteme.

 Aber der Spieß lässt sich umdrehen: Wir können unsere wirtschaftlichen Aktivitäten so gestalten, dass sie sich in die natürlichen Lebenszusammenhänge des Planeten einpassen. Der Lock down, den die Politik wegen Corona angeordnet hat, zeigt nämlich auch, dass und wie es geht. Wo coronabedingt kaum mehr fossile Brennstoffe verbrannt werden, ist der Smog wie weggeblasen. Die Umstellung auf regenerative Energien hätte dieselbe Wirkung. Wo coronabedingt der Straßen-, Schiffs- und Flugverkehr stark reduziert wird, sind auf einmal längst aufgegebene Klimaschutzziele wieder erreichbar. Wo Videokonferenzen geboten sind, erweisen sich statusfördernde Dienstreisen als überflüssig. Und Fernsehschiffsreisen mit dem Traumschiff bescheren statt dem Landausflugsstress ein verlässliches Happyend. Genügsamkeit kann wieder gelernt werden. Selbst Konzernvorstände und Fußballprofis dürfen die Erfahrung machen, dass sie mit 20% weniger Geld nicht verhungern müssen.

Selbstverständlich, die Wirtschaft muss wieder ins Laufen kommen. Mit 60% Kurzarbeitergeld von eh schon oft weniger als 1800 € netto lässt sich nicht gut leben. Aber umsteuern ist möglich, ja es ist angesichts der schlimmen Schäden, die wir auf der Welt schon angerichtet haben, unausweichlich. Von Corona lernen, heißt umsteuern!