Erderwärmung ist Fakt– wir müssen uns anpassen!

 

 

Die Katastrophenmeldungen häufen sich: Extreme Hitzewellen, übermäßige Trockenheitsphasen, massive Überschwemmungen, gefühlt jede Woche irgendwo anders. Häufiger als früher, immer öfter auch dort, wo bisher nichts dergleichen beobachtet wurde. Vom Ahrtal bis Kanada, von Griechenland bis Libyen, von Österreich bis Australien. Auch wenn die in Paris beschworenen 1,5 Grad insgesamt wohl noch nicht erreicht sind, viele der prognostizierten Unwetterereignisse und Schäden sind bereits eingetreten. Wir sollten uns daher über Klimaschutz hinaus wappnen, die schlimmsten Folgen durch Klimaanpassung zu vermeiden.

 

 

 

   Vor etwa 15 Jahren hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein umfangreiches Forschungs- und Entwicklungsprojekt in Auftrag gegeben, an dem auch die von mir geleitete Forschungsgruppe beteiligt waren. „Klimzug – Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten“ war der wohlklingende Name. 7 regionale Teilprojekte forschten über 6 Jahre an den Möglichkeiten, um Regionen, Städte und Gemeinden, Unternehmen und andere Einrichtungen für das Thema Klimawandel zu sensibilisieren und eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel auf den Weg zu bringen.

  Meine MitarbeiterInnen und ich nahmen uns die Aufgabe vor, bei Unternehmen in der Region Nordhessen Aufmerksamkeit für den Klimawandel zu wecken und gemeinsam mit ihnen Strategien zu entwickeln, sich vor den negativen Folgen des Klimawandels durch adäquate Anpassungsmaßnahmen zu schützen. Ähnliche wirtschaftsnahe Projekte wurden z.B. auch an den Universitäten Dresden und Oldenburg durchgeführt.

  Bemerkenswert an diesem Vorhaben ist zum einen der Starzeitpunkt 2008, als bereits 16 Jahre seit dem Weltumweltgipfel von Rio de Janeiro vergangen waren und seit längerem Projektionen zum Klimawandel und seinen Folgen vorlagen, die Weltöffentlichkeit aber noch davon ausging, dass der Klimawandel beherrschbar sein würde. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass wir im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, die wir durchgeführt haben, diesmal in der Unternehmenspraxis kaum auf positive Resonanz gestoßen sind. Von den Unternehmen kamen überwiegend abwartende bis ablehnende Reaktionen. Die meisten hatten das Thema überhaupt nicht auf dem Schirm. Uns beteiligten Forscherinnen und Forschern blieb kaum mehr übrig, als am grünen Tisch strategische Überlegungen zu unternehmerischen Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel zu entwickeln. Lediglich in naturnahen Geschäftsfeldern wie Gärtnereien und Touristik sowie bei Logistik-Unternehmen stieß das Thema auf Aufmerksamkeit und auf die Bereitschaft zu eigenen Vorsorgemaßnahmen.

  Immerhin: In der Politik stießen wir auf Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft. Einige Landkreise und Kommunen bestellten Klimaanpassungsmanager, Pflegeeinrichtungen trafen Vorsorgemaßnahmen zum Schutz ihrer Patient*Innen in Hitzeperioden. Die meisten Deutschen aber wähnten sich in der Vorstellung, dass der medial immer häufiger thematisierte Klimawandel vorläufig in anderen Weltregionen Schäden anrichten würde, ja dass Mitteleuropa eher zu den „Klimagewinnern“ gehören werde: Merlot-Anbau in Norddeutschland, Mittelmeerurlaub an der Ostsee.

  Mit den Jahren jedoch wurden wachsende Schäden unübersehbar. Heftige Trockenheit führte zu Waldbränden vor allem in Ostdeutschland. Fichten und Tannen z.B. im Harz und imThüringer Wald fielen massenhaft Stürmen und dem Borkenkäfer zum Opfer. Regen und Gewitter fielen zunehmend heftiger aus und führten zu Schäden an Gebäuden und Fahrzeugen. Nahezu jedes Jahr wurden die Sommer heißer und trockener, auch bei uns. Spätestens seit 2018 stieg das Thermometer nicht nur im Rheingraben sommers immer öfter auf über 40 Grad. Prominente Mahner wie der Metereologe Sven Plöger veröffentlichen Bestseller-Bücher zum Klimawandel, seinen Ursachen und unseren möglichen Gegenmaßnnahmen. Aber es passierte kaum etwas.

  Doch dann kam der 14./15. Juli 2021: Jahrhunderthochwasser im Ahrtal. Die schlimmste Flut in Deutschland seit Menschengedenken. 134 Tote, mehr als 750 Verletzte, mindestens 17.000 Geschädigte. Immense materielle Schäden: Häuser, Straßen, Brücken, Gleise zerstört. Die vertraute Heimat einfach weggespült. Wer jetzt immer noch den menschengemachten Klimawandel und sein auch bei uns wirksames Zerstörungspotential infrage stellt, rückt sich selbst außerhalb des Kreises denkender Menschen.

  Natürlich ist und bleibt Klimaschutz die vorrangige Aufgabe. Wir müssen verhindern, dass es noch schlimmer kommt und z.B. durch Kippunkte unkontrollierbar wird.  Aber wir können auch nicht so tun, als seien wir bis zum Eintreten der Erfolge von Klimaschutzmaßnahmen nach wie vor auf einer Insel der Seligen. Wir müssen auch Klimaanpassungsmaßnahmen treffen. Sonst werden Ereignisse wie die Ahrtalflut und die diesjährigen Dürren, Unwetter und Hochwasser weiter unkontrollierbare Schäden anrichten. Was kann getan werden?

  Ein Schlüsselbegriff ist hier zu nennen: Resilienz. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Psychologie und bezeichnnet dort die Fähigkeit eines Menschen, mit seiner Umgebung umzugehen, um ihn vor dem überwältigenden Einfluss von Risikofaktoren zu schützen und daraus resultierende Schäden zu überwinden. In diesem Sinne gelten auch Ökosysteme als resilient, wenn sie in der Lage sind, auch bei schwerwiegenden Störungen durch äußere Ereignisse ihre grundlegende Funktionsfähigkeit zu erhalten. In der Natur sind z.B. altersgemischte Mischwälder gut in der Lage, selbst großflächige Brandschäden zu überwinden, indem sie sich danach langsam selbständig regenerieren. Vom Menschen geprägte Ökosysteme sollten daher auch so aufgebaut sein, dass sie robust gegen äußere Einflüsse sind und bei Schädigung möglichst schnell zu ihrer ursprünglichen Funktionsweise zurückfinden.

  Ein gutes Beispiel ist der Nationalpark Bayerischer Wald, in dem in den letzten 20 Jahren durch den Borkenkäfer erhebliche ökologische Störungen zu beobachten waren. Heute hat sich vielerorts bereits wieder die nächste Generation des Waldes eingestellt – völlig ohne menschliche Hilfe.  Ein anderes, wenn auch nicht wirklich realistisches Beispiel geben uns Figuren aus Comic-Filmchen wie Tom und Jerry, die selbst wenn sie von einem Konkurrenten völlig platt geprügelt wurden, sich schütteln und weitermachen, als sei nichts passiert. Auch Flussniederungen sind resilient, wenn sie Überflutungen zulassen, kurzfristig abtrocknen und trotz Schädigungen keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen aufweisen.

  Ob und wie Resilienz durch gestalterische Vorsorge geschaffen werden kann, hängt selbstverständlich von den jeweiligen Umständen ab. Grundsätzlich bedeutet es, sich die Natur zum Vorbild zu machen und ihren Gestaltungsformen zu folgen. Architektur kann sich die Windwiderstandsfähigkeit von Gräsern zum Vorbild nehmen. Städte können durch Begrünung naturnaher gestaltet und unanfälliger gegen Hitze- und Wasserschäden (um)gestaltet werden. Im Schiffbau verhindern Schotts das Sinken eines Schiffes bei Leckagen. Redundante Systeme habe die Eigenschaft, bei dem Ausfall eines Systemelements ohne Funktionsausfall auf ein anderes zuzugreifen.

  Andere Möglichkeiten liegen z.B. in der passiven Schadensabwehr wie im Deichbau, der beim Anstieg des Meeresspiegels ein Überfluten des Hinterlands verhindert. In zahlreichen Projekten sind vielfältige weitere Aktivitäten dokumentiert.  Dabei ist stets zu beachten, dass Klimaanpassung nicht dazu führen darf, dass Klimaschutz vernachlässigt wird oder gar Anpassungsmaßnahmen sogar den Klimawandel befördern. Ein Beispiel hierfür sind Klimaanlagen, zumindest wenn sie mit fossil erzeugter Energie betrieben werden. Natürliche Verschattung durch Bäume ist dem Bau von technischen Schattenspendern überlegen und daher vorzuziehen. Boden-Entsiegelung hilft wirksamer als der Kanalisationsausbau.

  Anpassung überbrückt den Zeitraum, in dem eingeleiteter Klimaschutz erst langsam seine Wirkung entfaltet. Auch in Regionen wie z.B. den pazifischen Inselstaaten, die vom Anstieg des Meeresspiegels grundlegend in ihrer Existenz bedroht sind, werden verschiedene Maßnahmen erprobt und durchgeführt. Sie reichen von der Zucht hitzeresistenter Schweine und Nutzpflanze über die Einführung des ökologischen Landbaus bis zum Bau netzverbundener Solarsysteme und Miniwasserkraftwerke. Auch hier gehen Anpassung und Schutz ineinander über.  Aber Anpassung erkauft nur Zeit. Tatsächlich ist ein klimaschützendes Leben und Wirtschaften die beste Form der Klimaanpassung, auch bei uns in Deutschland.